Entführung in Berlin:Hauch von Kaltem Krieg

Was die Entführer aus Vietnam wohl nicht bedacht haben.

Von Joachim Käppner

An den Falschen gerieten damals die Entführer, die aus der Kälte kamen: Der Menschenrechtsaktivist Werner Bork schaltete den Greiftrupp aus dem Osten 1953 in Westberlin mit Faustschlägen aus. Weniger Glück hatte der Journalist Karl Wilhelm Fricke: 1955 verschleppte die Stasi ihn in die DDR, wo er fünf Jahre in Einzelhaft saß. Auch Südkoreas damaliges Militärregime ließ 1967 kritische eigene Staatsbürger aus der Bundesrepublik entführen - ein Eigentor, das Bonn mit der Einstellung der bis dahin großzügigen Wirtschaftshilfe konterte. Wenn die Bundesregierung nun Vietnam mit ähnlicher Wucht droht, dann hat dies gute Gründe. Das Auswärtige Amt hält es für gesichert, dass der Geheimdienst des asiatischen Landes einen vietnamesischen Staatsbürger aus Berlin entführen ließ. Offenbar geht es dabei um einen Machtkampf an der Spitze der Kommunistischen Partei Vietnams.

Ein Hauch von Kaltem Krieg liegt über der Affäre: Mag sein, dass manche in der vietnamesischen Führung geistig noch tief im Gestern sind. Ob die Vorwürfe an den Entführten, Millionen veruntreut zu haben, mehr sind als der routinierte Rufmord solcher Regimes an ihren Kritikern, ist zweifelhaft. Vietnams Regierung kann mit provokativen Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte aber niemals so viel gewinnen, wie sie riskiert, wenn sie sich dem Westen dadurch entfremdet.

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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