Entführung im Irak:Video der Rätsel

Lesezeit: 3 min

Wie Susanne Osthoff aus der Gewalt ihrer Entführer befreit werden soll, ist derzeit völlig offen. Das Bekennervideo wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet: Es ist völlig untypisch und könnte von gewöhnlichen Kriminellen stammen.

Annette Ramelsberger

Das Bekennervideo, das die Entführer der 43 Jahre alten Susanne Osthoff produziert haben, wirft auch zwei Tage nach seiner Analyse durch deutsche Sicherheitsexperten mehr Fragen auf, als es beantwortet. So ist das Video völlig untypisch und entspricht nicht den Machwerken, die sonst von Entführern im Irak verbreitet werden.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist das Band, das die kniende Frau und ihren zusammengekauerten Fahrer in der Gewalt ihrer Entführer zeigt, nur wenige Minuten lang und nicht, wie sonst oft üblich, von religiösen Gesängen oder Musik untermalt.

Auch das Logo, das islamistische Terroristen gerne benutzen, ein abstrahiertes Buch mit Waffe, fehlt. Deutsche Experten nennen das Video "eher schlicht". Es wirke "improvisiert". "Es hat nicht die gleiche Professionalität, die man eigentlich von den Brüdern gewohnt ist", sagt ein altgedienter Experte der Süddeutschen Zeitung.

Kein Bekennerschreiben im Internet

Und nirgendwo gebe es ein Bekennerschreiben im Internet - was sonst häufig nach politischen Aktionen erfolgt. Deswegen wird es in Sicherheitskreisen für möglich gehalten, dass es sich bei den Entführern von Susanne Osthoff um Gelegenheitstäter handelt, die ihr Opfer, das sich frei und relativ ungeschützt im Irak bewegte, als "gefundenes Fressen" betrachteten.

Das würde auch die Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel erklären, die sich bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag zwar sehr energisch gegen die Entführer gewandt, die Hintergründe aber nicht vertieft hatte.

"Noch wissen wir nichts über die Motive oder die Hintergründe", sagte Merkel vor dem Bundestag. "Daher verbieten sich voreilige Schlüsse."

Die Analyse der deutschen Sicherheitsexperten widerspricht auch Informationen des ARD-Büros in Kairo. Das hatte am Mittwochmorgen berichtet, einer der Entführer komme seinem Akzent nach zu schließen aus den Golfstaaten, was auf eine Verbindung zum arabischen Großterroristen Abu Musab al-Sarkawi hinweisen würde, der ausländische Kämpfer in den Irak schleust. Sarkawi hat sich immer wieder durch besondere Brutalität hervorgetan und Geiseln eigenhändig den Kopf abgeschnitten.

Den Hinweis auf Sarkawi halten deutsche Sicherheitsbeamte jedoch für "reine Spekulation". Es ist jedoch bekannt, dass Sarkawi große Anziehungskraft auf irakische Attentäter ausübt. Immer wieder verüben Gruppen auf eigene Faust Anschläge oder spektakuläre Entführungsaktionen, um dadurch in den Dunstkreis Sarkawis zu gelangen. Oder um mit ihm die Beute zu tauschen - Geld und Waffen zum Beispiel gegen westliche Geiseln. Das könnte auch bei der aktuellen Entführung der Fall sein. Sollte Susanne Osthoff in die Hände Sarkawis fallen, wäre das dramatisch.

Fahnder, die immer wieder mit Bekennervideos zu tun haben, glauben, dass bald ein weiteres Video der Entführer folgen könnte. Auf dem ersten hat einer der Entführer lediglich eine Erklärung verlesen, die allerdings genaue politische Forderungen enthält. Jetzt müssten die Entführer Möglichkeiten aufzeigen, wie man mit ihnen in Kontakt treten kann, sagte der Sicherheitsmann.

Im "subdiplomatischen Milieu"

Nur auf den ersten Blick erschweren die Regierungserklärung Merkels und die klaren Worte von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Deutschland lasse sich nicht erpressen, die Verhandlungen. Bei Entführungen laufen die eigentlich wichtigen Informationsstränge häufig unter der politischen und diplomatischen Oberfläche, im "subdiplomatischen Milieu", wie es unter altgedienten BND-Leuten heißt. Und dort ist der Bundesnachrichtendienst zu Hause.

Der BND ist in der arabischen Welt traditionell gut vertreten. Nun werden alle Kontakte bemüht, die der Dienst seit Jahrzehnten pflegt. Im Irak sind das auch die Clanchefs, die oft mehr Macht haben als das offizielle Innenministerium oder die Amerikaner, die zugesagt haben, ihr Wissen über den Irak zu teilen.

"Wir sind gut aufgestellt", heißt es in Berlin. "Wir setzen unsere Bemühungen auf jede erdenkliche Art und Weise fort", sagt eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Alle paar Stunden tritt im Keller des Außenministeriums der Krisenstab unter Staatssekretär Klaus Scharioth zusammen. Hier laufen alle Fäden zusammen. Der Stab arbeitet rund um die Uhr und hält den Kontakt nach Bagdad.

Wie es weitergeht, ist noch ungewiss. Möglicherweise wird wie im Fall der Entführten aus der Sahara ein Vermittler aus der Region angeworben, der bei der Befreiung der Geiseln helfen kann. In der Sahara war das sehr erfolgreich. Über die Aussichten im aktuellen Fall wird in Berlin intensiv geschwiegen.

© SZ vom 1.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: