Energiekonzerne:Rechnen mit Strahlen

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Eine Kommission zur Finanzierung des Endlagers macht sich Gedanken: Wer zahlt wann und wie viel für die Atommüll-Entsorgung? Es geht um Milliarden.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Der Streit über die Finanzierung nuklearer Altlasten geht in die entscheidende Runde. Nach SZ-Informationen soll die zuständige Regierungskommission in der übernächsten Woche über einen konkreten Vorschlag abstimmen, mit dem ein Fonds für die Entsorgung des deutschen Atommülls entstünde. Völlig offen ist aber immer noch, in welchem Umfang sich die Energiekonzerne an diesem Fonds beteiligen sollen.

Bei einem Treffen am Mittwoch konnte die Kommission aber immerhin klären, ab wann der Fonds den Atommüll übernehmen soll. Demnach sollen die Atomkraftbetreiber RWE, Eon, Vattenfall und EnBW ihre AKWs eigenständig zurückbauen und dies aus den dafür gebildeten Rückstellungen finanzieren. Sobald der Atommüll - seien es abgebrannte Brennelemente oder die verstrahlten Reste der Kraftwerke - sicher verpackt in den Zwischenlagern stehe, übernähme die öffentliche Hand und damit der Fonds. Die klare Trennung der Zuständigkeiten war einer der letzten verbliebenen Streitpunkte der Kommission.

Bei einem Risikoaufschlag müssten die Konzerne 26 Milliarden Euro überweisen

Bliebe nun nur noch das Geld. Die Unternehmen haben für die Zwischenlagerung knapp fünf Milliarden Euro an Rückstellungen gebildet. Wenn der Fonds die Aufgabe übernimmt, müsste er auch diese Mittel bekommen. Hinzu kommen die gut zwölf Milliarden, die für die Kosten der Atommüll-Endlagerung schon in den Bilanzen der Konzerne stehen. Damit müsse der Fonds mit mindestens 17,2 Milliarden Euro ausgestattet sein, zu überweisen von den Unternehmen. Die Mittel sollten in der Höhe an den Fonds übertragen werden, wie sie bisher auch schon zurückgestellt sind, hieß es aus der 19-köpfigen Kommission.

Allerdings sind die Zahlen umstritten. So wollen die Unternehmen noch diverse Posten abziehen und so die Last mindern. Dagegen wollen weite Teile der Kommission einen Risikoaufschlag durchsetzen. Denn die bisherige Vorsorge der Unternehmen geht von Zinssätzen aus, die mittlerweile keine Bank Europas mehr zahlt. Damit könnte auch der Fonds kaum die eingelegten Milliarden so mehren, dass sie dereinst für die Entsorgung des Atommülls ausreichen; der Steuerzahler müsste nachlegen. Ist der Fonds gefüllt, endet nämlich die Haftung der Konzerne.

Im Gespräch sind Aufschläge von bis zu 50 Prozent. Bei einem solchen Risikoplus etwa müssten die Unternehmen insgesamt fast 26 Milliarden Euro an den Fonds überweisen, womöglich gestaffelt. Die Konzerne klagen, solche Summen würden sie überfordern; einzelne Mitglieder brachten am Mittwoch sogar einen "Risikoabschlag" ins Gespräch. Damit wären die Konzerne nicht nur die Haftung los, sie bekämen auch noch einen Rabatt. Große Teile der Kommission wollen das um jeden Preis verhindern, auch ein völliges Scheitern ist nicht ausgeschlossen. Die Kommission entscheidet mit Zweidrittelmehrheit; am 27. April tritt sie wieder zusammen - einen Tag nach dem 30. Jahrestag von Tschernobyl.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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