Elektronikkonzern:Grundig Intermedia rutscht in die Krise

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Grundig Intermedia ist erneut in eine schwere Krise geraten: Die Nürnberger Firma hat im vergangenen Jahr Verluste von mehr als 20 Millionen Euro angehäuft.

Uwe Ritzer

Die Wahrheit liegt bleischwer in den Regalen. Zum Beispiel in denen eines zufällig ausgesuchten Elektronikfachmarktes, wo der Verkäufer bei der Frage nach Geräten von Grundig nur ironisch grinst: ,,Wenn Sie einen Fernseher mit aussterbender Bildröhrentechnik wollen, vielleicht. Wenn Sie ein Flachbildschirmgerät der Zukunft wollen, dann lieber nicht.''

Es sind solche Aussagen, die Grundig Intermedia alarmieren. Zumindest Geschäftsführer Hans-Peter Haase richtet sich auf viele schwierige Gespräche mit Händlern ein. ,,Uns hilft nur harte Kärrnerarbeit'', sagt er.

Vor drei Jahren wurde der fränkische Konzern, der einstmals den Weltmarkt dominierte, zerschlagen. Dessen Kernsparte Unterhaltungselektronik überlebte seiter als Grundig Intermedia, nun ist die Sparte erneut in eine schwere Krise geraten. Im noch bis Ende März laufenden Geschäftsjahr habe Grundig Verluste von ,,deutlich über 20 Millionen Euro'' aufgehäuft, so Haase.

Parallel sank der Umsatz auf weniger als 400 Millionen Euro. Vermutlich hätte der vor sechs Monaten als Nothelfer nach Nürnberg geholte frühere Manager von Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) bereits zum Insolvenzrichter gehen müssen, hätten nicht die Inhaber, der türkische Elektronikhersteller Beko und die britische Vertriebsgesellschaft Alba, vor zwei Wochen zusätzlich 40 Millionen Euro nach Nürnberg überwiesen. ,,Damit sind wir wieder stabil'', sagt Haase.

Probleme in Istanbul

In der Branche wächst die Skepsis, denn bei Grundig Intermedia gibt es viele Probleme. Das größte davon ist in Istanbul. Im dortigen Beko-Werk werden seit der Übernahme Grundig-Fernseher produziert. Doch die Qualität war oft miserabel und dementsprechend hoch waren die Rückläufe. Kunden beklagten schlechte Verarbeitung, Geräteausfälle bereits kurz nach der Anschaffung oder Stecker, die sich ständig lösten. Zwar ist Beko Europas drittgrößter Fernsehhersteller, doch vorwiegend werden Geräte für Marken hergestellt, die in unteren Preissegmenten angesiedelt sind.

In seiner Not schickte Haase im Herbst Grundig-Qualitätschef Peter Dennerlein nach Istanbul. Er baute im Beko-Werk eine Fabrik in der Fabrik auf, schulte das 200-köpfige Personal und richtete Testlabors ein. Seit drei Monaten laufen täglich bis zu 1800 Grundig-Fernseher mit LCD-Flachbildschirmen von zwei Fertigungsbändern; bald kommt ein drittes hinzu. Derweil tüfteln in der Nürnberger Zentrale Ingenieure an Zukunftstechnologie, etwa daran, wie Bewegungsunschärfen beim TV-Bild vermieden werden können. Die Stimmung aber ist im Keller. Von 450 Grundig-Beschäftigten sollen 90 ihren Arbeitsplatz verlieren.

Verbliebene beklagen, die ins Haus geholten Unternehmensberater von Accenture gingen rücksichtslos ans Werk, zerstörten selbst funktionierende Strukturen und demotivierten die Mitarbeiter. Prominentestes Opfer ist der ehemalige Geschäftsführer Hubert Roth.

Er, der noch mit Max Grundig zusammengearbeitet hat, musste bereits den Posten räumen und wird die Firma Ende Mai verlassen. Angelastet werden ihm, nicht früh und konsequent genug auf die Qualitätsmängel reagiert und hohe, teure Lagerbestände aufgehäuft zu haben. Andere sagen, Roth habe sich hoffnungslos verheddert zwischen den Interessen der Eigner Alba und Beko.

Nun hat Nachfolger Haase mit Michael Peterseim einen neuen Finanzchef engagiert und den Vertrieb neu organisiert. Auch an der Strategie wird gearbeitet. Denn Grundig ist ausgerechnet in der aussterbenden Bildröhrentechnologie Marktführer, aus der sich die Konkurrenten gerade verabschieden. Bei den zukunftsträchtigen Flachbildschirmgeräten hingegen sank der Marktanteil in Europa um 0,4 Punkte auf 1,0 Prozent.

© SZ vom 12.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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