Einreise:Draußen im Zelt

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Am Freitag vereinbarten Deutschland und Österreich, die unerträgliche Lage an den Grenzen für die Flüchtlinge ein wenig erträglicher zu machen. Die Frage ist, ob der Wunsch Wirklichkeit geworden ist.

Von Andreas Glas

Die beste Nachricht von der Grenze ist 100 Meter lang und zehn Meter breit. Auf der österreichischen Seite, kurz vor Wegscheid, haben sie ein Zelt aufgebaut, ein großes Zelt. Ein gelber Schlauch bläst warme Luft ins Innere. Es ist auch Zeit geworden. Eine Woche lang hatten die Flüchtlinge nachts im Freien gefroren. Wer jetzt noch friert, der tut das halbwegs freiwillig. Die Raucher zum Beispiel, die im Pulk vor dem Zelt stehen, denn drinnen ist das Rauchen verboten. Oder die Menschen in den kleinen Iglu-Zelten, die ihr Nachtlager selbst mitgebracht und in der matschigen Wiese neben dem großen Zelt aufgeschlagen haben. Es sind Nachtlager ohne Heizung, dafür mit Privatsphäre. Denn das Zelt mag eine Heizung haben, ein Rückzugsort ist es nicht, dafür sind auch an diesem Wochenende wieder zu viele Flüchtlinge an der Grenze zwischen Bayern und Österreich angekommen.

Im Halbstundentakt fuhren die Busse vor, mit denen die österreichische Polizei die Flüchtlinge direkt an die Grenzen bringt. Etwa 2500 Menschen waren es am Samstag allein an den niederbayerischen Grenzübergängen in Wegscheid, Neuhaus am Inn und Simbach am Inn. Dazu 2000 Menschen, die am Passauer Hauptbahnhof ankamen und 2700 an den oberbayerischen Grenzen in Freilassing und Laufen, bundesweit registrierten Behörden insgesamt mehr als 10 000 Neuzugänge.

Anderswo kommen inzwischen keine Busse mehr an. Der Grund: Deutschland und Österreich haben sich darauf geeinigt, die sogenannten Übergabe- und Kontrollzentren nur noch an den fünf genannten Grenzübergängen einzurichten. Zur Vereinbarung gehört auch, dass Deutschland pro Stunde nicht mehr als 50 Flüchtlinge aus Österreich übernimmt. Auf diese Weise soll die Unterbringung der Flüchtlinge in den Notquartieren besser organisiert werden, ebenso die Weiterreise in Erstaufnahmeeinrichtungen anderer Bundesländer. "Die Absprachen mit den österreichischen Kollegen funktionieren eigentlich gut. Ich glaube, beide Seiten haben verstanden, wie es laufen soll", sagte Heinz Onstein, der Sprecher der Bundespolizei Freyung in der Grenzregion Passau.

Flüchtlinge bei Neuhausen. "Wir arbeiten dran", heißt es seitens der Behörden zur Situation an der Grenze. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Nun kommen die Flüchtlinge auf einmal in Kufstein an

Weniger geordnet geht es dagegen an der Grenze in Oberbayern zu. Am Bahnhof im österreichischen Kufstein war der Andrang in der Nacht zum Sonntag so groß, dass der Zugverkehr nach Rosenheim gestoppt wurde. Rund um den Kufsteiner Bahnhof mussten am Sonntagvormittag 900 Flüchtlinge ausharren. Die Rosenheimer Bundespolizei zeigte sich überrascht, dass plötzlich so viele Menschen aus Richtung Kufstein kommen. Denn Kufstein gehört nicht zu den fünf mit Österreich vereinbarten Übergabestellen. Immerhin: Im Vergleich zum Freitag, als die Bundespolizei mehr als 9000 Flüchtlinge zählte, ist die Zahl der Neuankommenden in Bayern über das Wochenende leicht gesunken.

Schon bald könnte es in den Grenzregionen aber wieder problematisch werden. Zwar gibt es jetzt an allen Übergängen Zelte, doch ist fraglich, ob die Kapazitäten auf Dauer reichen. In Wegscheid war das Zelt in der Nacht zum Sonntag komplett voll, die Menschen mussten in ihren Schlafsäcken eng zusammen rücken. Und sollten die Temperaturen auf Dauer unter null Grad rutschen, wäre das Zelt ohnehin nicht mehr geeignet. "Wir arbeiten dran, dass es bis zum Winter besser wird", sagte Bundespolizeisprecher Onstein. Für den Moment aber sei er zufrieden: "Wir haben die Infrastruktur geschaffen, um die Leute zumindest für die nächste Zeit warm und trocken unterzubringen."

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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