Ehrung für Altkanzler:Platzangst

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Eine kleine Stadt braucht große Namen oder etwa nicht? In Burg soll ein Areal nach Helmut Kohl benannt werden. Einige Einwohner sind dagegen - und wollen mit einem Bürgerentscheid dagegen vorgehen.

Von Ulrike Nimz

Ganz unrecht hat Helmut Kohl dann doch nicht gehabt: In Burg, Sachsen-Anhalt, wird es blühende Landschaften geben. Spätestens dann, wenn im April die Landesgartenschau öffnet. Mehr als die geplanten 17 Hektar Blütenträume interessiert die Burger Bürger derzeit allerdings das graue Pflaster vor dem Landratsamt. Das noch namenlose Areal soll bald "Dr.-Helmut-Kohl-Platz" heißen. So hat es der Burger Stadtrat am 7. September 2017 beschlossen. Zwei Drittel der Räte von CDU, FDP, Freien Wählern und SPD stimmten dafür, den im Juni verstorbenen Altkanzler auf diesem Wege zu würdigen. Gleichzeitig einigte man sich darauf, bei nächster Gelegenheit auch irgendetwas nach Willy Brandt zu benennen. Eine kleine Stadt braucht große Namen oder etwa nicht?

"Ich halte nichts davon, dass jede Rabatte einen Namen bekommt", sagt Auerbach

Es gibt Burger, die sehen das anders, Kerstin Auerbach zum Beispiel. Sie ist Lehrerin an einer Förderschule und sitzt für die Linke im Stadtrat. Gemeinsam mit anderen hat sie 2832 gültige Unterschriften gegen einen Kohl-Platz gesammelt, genug für einen Bürgerentscheid. Am 18. März soll er stattfinden. Es ist der erste der Stadtgeschichte.

"Ich halte nichts davon, dass jede Rabatte einen Namen bekommt", sagt Auerbach. Der Platz vor dem Landratsamt habe nicht einmal eine Postadresse. "Das wird daran liegen, dass es weder ein besonders großer, noch besonders schöner Platz ist", so Auerbach. Momentan wird er zum Parken genutzt. Neben ein paar schlanken Bäumchen gedeiht dort vor allem eines: die Saat der Zwietracht.

Eigentlich ist in der Stadt Burg alles geregelt, auch das Benennen von Straßen und Plätzen. Seit Ende 2002 gibt es eine entsprechende Satzung. Darin heißt es, Namen von Persönlichkeiten sollten nur vergeben werden, "wenn deren Geschichtsbild abgeklärt ist". Das Bild Helmut Kohls habe ja nun ordentlich Risse, sagt Auerbach mit Verweis auf die Spendenaffäre. Vor allem aber gebe es keinerlei Bezug zu Burg. Zwar wurde der Einheitskanzler während des Wendewahlkampfs 1990 in Magdeburg buchstäblich mit wehenden Fahnen begrüßt - im einsilbigen Nachbarstädtchen jedoch ließ er sich nie blicken.

Seit Kohls Tod gibt es bundesweit Vorstöße, Plätze und Straßenzüge nach dem Altkanzler zu benennen, erstaunlich häufig in Sachsen-Anhalt. In Leuna, wo Kohl im Mai 1994 den ersten Spatenstich für eine Erdöl- Raffinerie vollzog. Oder in Dessau-Roßlau, wo nun ein Teil der Ludwigshafener Straße nach dem Mann aus Oggersheim benannt ist. Ähnliche Pläne gab es in Halle und Magdeburg. Die Reaktionen: verhalten bis ungehalten.

Markus Kurze hofft, dass es in Burg letztlich anders läuft. Der CDU-Mann und Stadtratsvorsitzende war treibende Kraft hinter dem Kohl-Brandt-Beschluss und seiner Sache sicher: Im September 2017 posierte er mit einem frisch geprägten Kohl-Platz-Schild vor dem Landratsamt. Das Foto fand seinen Weg aus der Fraktion auf Facebook und Kurze sich alsbald im Zentrum der Kritik wieder. Viele Versprechen seien nach der Wende gemacht, wenige gehalten worden, war ein Vorwurf, der dem Christdemokraten entgegenschlug. Man könnte auch sagen: Die Burger fühlten sich verkohlt. Kurze verteidigt seine Idee. "Ohne Helmut Kohl würde die Stadt heute nicht aussehen, wie sie aussieht", sagt er. Wer vom Burger Bismarckturm hinunterblicke, sehe nur neu gedeckte Dächer.

Ob die Menschen am Ende ihren Stadträten aufs Dach steigen, wird sich am kommenden Sonntag zeigen. Ein Viertel der Stimmberechtigten muss sich gegen eine Umbenennung des Landratsamtvorplatzes aussprechen. Zugleich darf die Zahl der Befürworter nicht größer sein. Nur dann können die Burger Bürger von sich behaupten: Wir haben Helmut Kohl abgewählt.

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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