Ehrung:Drei, zwei, eins

Lesezeit: 2 min

Marie Munk (1885-1978) kämpfte für Gleichberechtigung. (Foto: OTFW/Wikipedia)

Heldin der Demokratie, Verfechterin des Grundgesetzes, Vorkämpferin der Gleichberechtigung: Die Juristin Marie Munk (1885-1978) erhält ein Denkmal in Berlin.

Von Ronen Steinke

Die Mütter des Grundgesetzes waren deutlich in der Unterzahl gegenüber den Vätern. Ihre wichtigste Errungenschaft mussten sie hart erkämpfen. Sie steht in Artikel 3, Absatz 2, Satz 1: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Viel wert waren diese Worte anfangs nicht. Das Bürgerliche Gesetzbuch buchstabierte die Verhältnisse des realen Lebens ganz anders aus: Eine Frau konnte in der jungen Bundesrepublik keinen Beruf ergreifen ohne das Einverständnis ihres Mannes. Mit der Heirat nahm der Mann alles Vermögen der Frau "in den Besitz" und "verwaltete" es. In der Kindererziehung hatte er den "Stichentscheid". Und was hatte die Frau zu erwarten im Falle einer Scheidung? Den Abgrund. Kein Sorgerecht, keinen Unterhalt.

Es hat juristische Kämpferinnen gebraucht, um das Versprechen von Artikel 3, Absatz 2, Satz 1 in den Jahren danach tatsächlich einzufordern. Frauen wie Marie Munk (1885-1978), die den Deutschen Juristinnenverein gründete, den Vorläufer des heutigen Juristinnenbundes, und die in den familienrechtlichen Debatten der 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahre eine entscheidende Rolle spielten: Ohne sie hätte es diese Debatten oft gar nicht gegeben. Seit Montag erinnert in Berlin ein Denkmal am Landgericht an sie. 90 Jahre, nachdem sie 1930 zur ersten Richterin dort ernannt worden war.

Marie Munk, bald von den Nazis als Jüdin verfolgt und ins amerikanische Exil getrieben, kam nach dem Krieg mit konkreten Konzepten aus dem damals progressiven US-Familienrecht wieder. Die 1958 in Westdeutschland eingeführte sogenannte Zugewinngemeinschaft zwischen Eheleuten - die Idee also, dass das gemeinsam Erreichte beiden gehört, auch wenn nur einer von beiden Erwerbsarbeit leistet - geht auf sie zurück. Dass es im Scheidungsrecht nicht mehr auf die "Schuld" eines Partners ankommen dürfe - was zulasten der Frau ging, weil sie viel mehr "eheliche Pflichten" hatte -, das war eine weitere Forderung, für die sie lange stritt, als Wissenschaftlerin und Sachverständige. Sie starb, kurz bevor dies 1978 umgesetzt wurde.

Dass Marie Munk zu den vergessenen Heldinnen der Demokratie zählt, liegt nicht daran, dass sie sich selbst kleingemacht hätte. "Wir Frauen wollen uns den Weg zur Jurisprudenz nicht rauben lassen", formulierte sie einmal. Und dass "das Recht und die Gerichte" letztlich im Kampf um eine gerechtere Welt "nur Hilfsmittel" seien. Als sie starb, war diese "Schlüsselfigur der westdeutschen Rechtsgeschichte", wie ihre Biografin Oda Cordes sagt, Konservativen schon so lange unangenehm gewesen, dass fast niemand ihr Ehrungen nachrief. Marie Munk hat genervt. Mit Erfolg.

Denkmäler entstehen, Denkmäler vergehen. In Hamburg diskutiert der Senat gerade über die Beseitigung eines Denkmals, das an den Kolonialverbrecher Paul von Lettow-Vorbeck erinnert. In Berlin wird künftig diese Verfechterin des Grundgesetzes etwas weniger unsichtbar sein.

© SZ vom 11.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: