Editorial:Haben wir's geschafft?

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Fünf Jahre später: Was ist aus Angela Merkels Versprechen geworden? Für die, die hier leben - und für die, die gekommen sind?

Von Detlef Esslinger

Fünf Jahre ist es her, dass Angela Merkel beschloss, die deutschen Grenzen offen zu halten; fünf Jahre ist es her, dass sie den Satz sprach, der ihr berühmtester werden sollte. Fünf Jahre, dieser Zeitraum ist erstens eine Sekunde und zweitens eine Ewigkeit. Eine Sekunde ist er vor allem für die Menschen, die geflüchtet sind: angekommen in physischer und oft auch psychischer Erschöpfung; ausgestattet mit Prägungen, die hier mitunter wenig wert sind - und auch dazu führen, dass etliche über das Stadium der Ankunft kaum hinausgekommen sind. Eine Ewigkeit ist der Zeitraum, weil so viel passiert ist in diesen fünf Jahren; weil man sich vielleicht kaum noch recht erinnern kann an eine Zeit, in der sich die deutsche Gesellschaft nicht unter solchem Stress befand wie seitdem.

Wer sich befasst mit der Frage, was geschafft wurde, der kommt um Daten und Statistiken nicht herum. Zahlen sind nicht alles, aber Zahlen liefern doch einen Eindruck, in welchem Maß es Fortschritt (und Rückschritt) gegeben hat; beziehungsweise nicht. Wer es indes beim Blick auf Zahlen beließe, geriete immer in Gefahr, Menschen aus dem Blick zu verlieren. Deshalb erzählt diese Sonderausgabe von so vielen: von dem Syrer, der eine Imbissfirma gründete; von der Deutschen, die unter den anderen Helfern den Mann ihres Lebens gefunden hat; von der Uganderin, die seit fünf Jahren auf ihren Asylbescheid wartet.

Derzeit nimmt bei den meisten Menschen Corona die meiste Aufmerksamkeit in Anspruch. Was aber keineswegs heißt, dass beim Thema Flüchtlinge nichts geschähe; im Gegenteil. Die EU-Kommission arbeitet an einem Konzept, um endlich eine europäische Lösung zu erreichen: Wie können die EU-Staaten nicht nur den Flüchtlingen, sondern dabei auch einander helfen? Wie sichern sie ihre Außengrenzen? Und welche Flüchtlinge schicken sie wohin zurück? Das sind die Fragen, um die es in dem Papier geht. Ursula von der Leyen will es in den nächsten Wochen vorlegen. Corona hin oder her, die Debatte dazu wird lebhaft werden.

© SZ vom 04.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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