Untersuchungsausschuss:Edathy wehrt sich gegen Hartmann und Ziercke

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  • SPD-Politiker Sebastian Edathy wehrt sich vor dem Untersuchungsausschuss gegen den Vorwurf, mit seinen Aussagen zu Parteifreund Hartmann und Ex-BKA-Chef Ziercke von seinem eigenen Verhalten ablenken zu wollen.
  • Ziercke bestreitet, Informationen über die Ermittlungen gegen Edathy weitergegeben zu haben und kritisiert den Politiker bei der Befragung massiv.
  • SPD und Linke halten die Darstellungen Zierckes für glaubhaft. Irene Mihalic von den Grünen hat Zweifel.
  • Bei der vergangenen Befragung durch den Untersuchungsausschuss hatte der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete Edathy behauptet, sein früherer Parteifreund Hartmann habe ihn mit Informationen über Ermittlungen gegen ihn versorgt. Hartmann bestreitet dies.

Von Kim Björn Becker, Berlin

Edathy widerspricht Zierckes und Hartmanns Aussagen

Der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy hat bei seiner zweiten Zeugenaussage im Bundestags-Untersuchungsausschuss versucht, Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit auszuräumen. Zu seinem angeblich starken Alkoholkonsum Anfang 2014 sagte der Ex-Politiker, dieser sei im Vergleich zum durchschnittlichen Konsumverhalten der Abgeordneten "eher unterdurchschnittlich" gewesen. Er, Edathy, könne sich an die Ereignisse von damals sogar besser erinnern als der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann. "Es ist abwegig, ich hätte mir die Geschichte ausgedacht. Ich kann nicht ausschließen, dass Hartmann mich belogen hat", sagte Edathy.

Hartmann hatte im Dezember vor dem Ausschuss Edathys Darstellung widersprochen, er selbst habe Informationen zu den Kinderporno-Ermittlungen gegen Edathy an diesen weitergereicht. Edathy hatte vor dem Ausschuss ausgesagt, Hartmann habe ihm im Herbst 2013 von den Ermittlungen berichtet und sich dabei auf Informationen des damaligen Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, berufen.

Edathy wehrte sich auch gegen den Vorwurf, mit seinen Aussagen von seinem eigenen Verhalten ablenken zu wollen. "Nach massiver Berichterstattung ist es unrealistisch, dass Ablenkung mein Motiv sein könnte." Er betonte außerdem, dass das Angebot zur Einstellung seines Verfahrens gegen eine Geldauflage vom Landgericht Verden kam. "Eindeutig richtig. Es war ein Angebot. Mein Anwalt hat einen solchen Antrag nicht gestellt."

Ex-BKA-Chef Ziercke dementiert Weitergabe von Informationen

Ex-BKA-Präsident Jörg Ziercke hatte vor Edathy vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt. Er erklärte erneut, dass er in den Jahren 2013 und 2014 keine Informationen über die Ermittlungen gegen Edathy weitergegeben habe. Die Aussagen Edathys zu seiner Person seien frei erfunden. Ziercke ging seinerseits in die Offensive und teilte kräftig gegen Edathy aus.

Edathy leide an "Realitätsverlust", sagte Ziercke in einem Statement zu Beginn der Sitzung. Edathy sei "unfähig einzusehen, dass er durch sein unmoralisches Verhalten für das Ende seiner Karriere selbst verantwortlich" sei.

Edathy hatte bei der bislang letzten Sitzung des Gremiums im Dezember gesagt, er sei über seinen SPD-Kollegen Michael Hartmann frühzeitig über Ermittlungen gegen ihn in Kenntnis gesetzt worden. Hartmann, so Edathy damals weiter, sei fortlaufend von BKA-Chef Ziercke informiert worden.

Ziercke hatte den Vorwurf, Informationen weitergegeben zu haben, bereits im Dezember zurückgewiesen und erneuerte sein Dementi nun. Die Darstellung Edathys, er habe den SPD-Innenpoliker schützen wollen, sei absurd, so Ziercke. Zwar könne er "nicht ausschließen", dass er in der Vergangenheit mit Michael Hartmann über das Thema Kinderpornografie gesprochen habe. Niemals sei es dabei aber konkret um den Fall Edathy gegangen. Auch Hartmann habe zu keinem Zeitpunkt eine "rote Linie überschritten" und ihn, Ziercke, nach der Ermittlung gegen seinen Fraktionskollegen gefragt.

Zu der Möglichkeit, er habe Edathy durch eine angebliche Warnung schützen wollen, sagte Ziercke: "Wie verrückt ist denn das eigentlich?" Auch Spekulationen, er habe mit seiner angeblichen Unterrichtung der SPD Schaden von der Partei abwenden wollen - der er selbst angehört - wies Ziercke zurück. Der Schaden entstehe in einem solchen Fall nicht erst durch das Vorgehen der Justiz, sondern schon dadurch, dass die Angelegenheit an die Öffentlichkeit gelange: "Da war nichts mehr zu schützen", sagte Ziercke.

Für Ziercke ist die Skandalisierung von Hartmann und dem BKA durch Edathy Teil einer "Inszenierung" des Politikers. Dieser wolle damit "die Öffentlichkeit beeindrucken". Edathy habe durch die Berichterstattung der Medien "sehr genau wissen" können, "worauf er sich eingelassen" habe, das Internet sei voll davon gewesen. Edathy wird vorgeworfen, bei einem kanadischen Anbieter Filme und Fotosets von nackten Jungen heruntergeladen zu haben.

Reaktionen auf Aussagen Zierckes

Die SPD-Politikerin Uli Görtsch hält die Aussage Zierckes für "sehr schlüssig", sie stütze die Darstellung Hartmanns vom Dezember. Frank Tempel (Linke) nannte den Auftritt Zierckes "überzeugend". Auch die Ausschussvorsitzende Eva Högl (SPD) hält die Ausführungen des Ex-BKA-Chefs für glaubwürdig: "Ziercke hat Edathy klar widersprochen. Ziercke hat heute keine zurechtgelegte Geschichte präsentiert."

Irene Mihalic von den Grünen sieht Widersprüche im Bezug auf die Aussagen Hartmanns: "Ich habe noch größere Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Michael Hartmann, seine Glaubwürdigkeit ist heute stärker in Zweifel gezogen worden als bisher." Hartmann hatte im Dezember mehrfach gesagt, Ziercke sei Gast auf Hartmanns Feier zum 50. Geburtstag gewesen. Ziercke sagte heute aus, statt seiner sei der Vizepräsident des BKA dort gewesen. "Wenn Hartmann etwas Falsches ausgesagt hat, dann werden wir das im Nachhinein noch bewerten müssen", sagte Mihalic.

Rolle von Thomas Oppermann

In der Befragung von Jörg Ziercke ging es auch um die Rolle des SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann. Dieser hatte im Februar vergangenen Jahres in einer Pressemitteilung offenbart, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel im Oktober 2013 vom damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über die Causa Edathy informiert worden war. Friedrich trat kurz darauf zurück. Oppermann schrieb seinerzeit, er habe sich die Vorwürfe gegen Edathy von Ziercke in einem Telefonat "bestätigen lassen".

Der frühere BKA-Chef wies die Darstellung damals zurück und dementierte sie nun vor dem Ausschuss erneut. Ziercke sagte, er habe an dem Tag des Bekanntwerdens "zwar hundertprozentig" mit Oppermann telefoniert, ihm jedoch keine Informationen zum Fall Edathy gegeben. Der Inhalt von Oppermanns Pressemitteilung habe Ziercke während einer Tagung erreicht. Er sei ob des Vorgehens Oppermanns "verärgert" gewesen, so Ziercke.

Was wusste Hartmann?

Edathy, der sich wegen des Besitzes von Kinderpornos demnächst auch vor Gericht verantworten muss, hat mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten und früheren Parteifreund Michael Hartmann mehrfach über das kanadische Ermittlungsverfahren gesprochen. Das sagen beide. In einem entscheidenden Punkt widersprechen sich ihre Angaben jedoch. Hartmann sagt, Edathy habe sich nur wegen des Ermittlungsverfahrens gegen Azov-Film in Kanada Sorgen gemacht, über das in den Medien berichtet worden war. Edathy hatte dort früher Filme bestellt. Edathy hat dagegen ausgesagt, Hartmann habe ihm von konkreten Ermittlungen gegen ihn berichtet, die dieser vom damaligen BKA-Chef Jörg Ziercke erhalten habe.

Wer wusste noch Bescheid?

Seit mehr als einem halben Jahr bemüht sich der Untersuchungsausschuss des Bundestags herauszufinden, ob Politiker in der Affäre um den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy getratscht, getrickst und gelogen haben. Fest steht, dass der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im Oktober 2013 SPD-Chef Sigmar Gabriel von dem Verdacht berichtet hatte. Friedrich musste daraufhin zurücktreten. Gabriel weihte nach eigenen Angaben nur die damaligen Fraktionsspitzen Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann ein.

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