Drama in der Ägäis:Griechen warfen Flüchtlinge angeblich ins Meer

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Die Küstenwache soll mit Gewalt gegen 40 Migranten vorgegangen sein - mindestens sechs Menschen ertranken. Die Regierung in Athen verweigert jede Stellungnahme.

Kai Strittmatter

Illegale Migranten haben schwere Vorwürfe gegen die griechische Küstenwache erhoben: Aussagen von Überlebenden und Berichten türkischer Medien vom Mittwoch zufolge sollen griechische Sicherheitskräfte eine Gruppe von 40 Flüchtlingen in der Nacht von Montag auf Dienstag vor der türkischen Küste ins Meer geworfen haben. Sechs Menschen ertranken in dieser Nacht, drei weitere wurden noch vermisst. 31 retteten sich schwimmend an die Küste von Karaburun in der Nähe von Izmir. Von der griechischen Regierung war am Mittwoch keine klare Stellungnahme zu den Vorwürfen zu erhalten. Das Außenministerium veröffentlichte eine allgemein gehaltene Erklärung, wonach Griechenland "in Übereinstimmung mit europäischen Normen, Verträgen und Gesetzen" handle.

"Generell ist es unsere Politik, die Migranten von Griechenland fern zu halten", erklärte eine Beamtin des Außenministeriums der Süddeutschen Zeitung. Zu dem Fall von Karaburun habe man jedoch keine näheren Informationen, das sei Sache des Handelsmarine-Ministeriums, dem die Küstenwache untersteht. Das Handelsmarine-Ministerium verweigerte am Mittwoch eine Stellungnahme. Am Dienstag hatte der Kommandeur der lokalen Küstenwache auf der Ägäis-Insel Chios, Haris Bourniasder, der Nachrichtenagentur dpa gesagt: "Wir werfen keine Flüchtlinge ins Meer."

"Vor unseren Augen ertrunken"

Berichten der türkischen Medien zufolge waren die 40 Flüchtlinge - Libanesen, Iraker, Tunesier, Algerier und Palästinenser - von Schmugglern auf Chios abgesetzt worden. Dort seien sie von griechischen Beamten gefasst und auf einem Boot der Küstenwache zurück in Richtung Türkei gebracht worden. "Sie haben uns ins Wasser geworfen, ohne uns zu fragen, ob wir schwimmen können", zitiert die Zeitung Aksam den Libanesen Muhammet Alti. "Zwei unserer Freunde sind vor unseren Augen ertrunken." Die türkischen Zeitungen zeigten Bilder der sechs geborgenen Leichen.

Die Türkei ist beliebtes Transitland für Menschenschmuggler; die illegale Migration ist ein alter Streitpunkt zwischen der Türkei und Griechenland. Der Sprecher des Außenministeriums in Athen, George Koumoutsakos, klagte in einer Stellungnahme vom Dienstagabend, die türkischen Behörden seien nicht kooperativ genug: In den vergangenen vier Jahren habe Griechenland 22 000 illegale Einwanderer in die Türkei zurückführen wollen, Ankara habe davon jedoch nur 1400 akzeptiert: "Die Zahlen sprechen für sich." Die Türkei wiederum hatte Griechenland schon vor dem Vorfall von Karaburun beschuldigt, Flüchtlinge heimlich wieder auf türkisches Territorium zu schaffen: Das türkische Fernsehen strahlte vergangene Woche einen Film aus, der angeblich ein Schiff der griechischen Küstenwache zeigt, das Flüchtlinge in einem Boot in türkischem Gewässer aussetzte. "Sollte sich dies bestätigen, wäre das sehr bedauerlich", sagte Ketty Kehayioylou vom Athener Büro des Flüchtlings-Hilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR).

© SZ vom 28.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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