Dissident:China unterdrückt die Erinnerung an Liu

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Beisetzung im Meer: Liu Xia (rechts) trauert um ihren Mann, den Dissidenten Liu Xiaobo. (Foto: AFP)
  • Der verstorbene chinesische Dissident Liu Xiaobo ist im Meer beigesetzt worden, offenbar um eine Erinnerungsstätte für den Demokratie-Aktivisten zu verhindern.
  • Bei der Zeremonie war auch Liu Xia anwesend, die Witwe des Nobelpreisträgers.
  • Das künftige Schicksal der Witwe ist unklar. US-Außenminister Rex Tillerson und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel fordern Peking auf, Liu Xia die Ausreise zu erlauben.
  • Die Zensurbehörden unterdrücken die Erinnerung an Liu Xiaobo in sozialen Netzwerken.
  • In Hong Kong gedachten Tausende des Aktivisten der chinesischen Demokratiebewegung.

In China wird keine Grabstätte an den verstorbenen Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo erinnern. Nach seinem Tod wurde Liu in Anwesenheit seiner engsten Angehörigen eingeäschert und die Asche ins Meer gestreut. Lius Freunden zufolge wollen die chinesischen Behörden auf diese Weise verhindern, dass sein Grab zur Pilgerstätte für Demokratie-Aktivisten wird.

Liu starb am Donnerstag im Alter von 61 Jahren an den Folgen einer Leberkrebserkrankung. Gut einen Monat zuvor war er nach mehr als acht Jahren in Haft aus dem Gefängnis in ein Krankenhaus in Shenyang verlegt worden. Dort durfte er so gut wie keinen Besuch empfangen. Die Regierung verweigerte ihm die Behandlung im Ausland. Lius älterer Bruder Liu Xiaoguang sagte auf einer Pressekonferenz, mit der Einäscherung und der anschließenden Bestattung seien die Behörden den "Wünschen der Familie" gefolgt. Freunde und Anhänger des Dissidenten bezweifeln dies. Beobachter vermuten, dass im Vorfeld der Beisetzung Druck auf die Familie ausgeübt wurde. Der in Berlin lebende Künstler und Dissident Ai Weiwei bezeichnete die Zeremonie auf Twitter als "ekelhaft" und als eine "Missachtung" des Toten.

Liu war einer der wichtigsten Vordenker der Demokratiebewegung in China. Während der Proteste auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens 1989 war er einer der Anführer, trat zusammen mit anderen Aktivisten in den Hungerstreik. Durch Verhandlungen erreichte er den Abzug vieler demonstrierender Studenten und verhinderte so wohl ein noch schlimmeres Massaker, als die Staatsführung die Proteste im Juni 1989 niederschlagen ließ. Er wurde mehrmals zu langen Haftstrafen verurteilt, zuletzt 2008, als er die "Charta 08" unterzeichnete. In diesem Manifest wurde eine demokratische Öffnung Chinas gefordert. Der Staat erklärte die Aktion zum Versuch, die Regierung zu stürzen.

US-Außenminister setzt sich für Witwe Lius ein

Nach Lius Tod ist auch die Zukunft seiner Witwe Liu Xia unklar. Obwohl die 56-Jährige selbst nie verurteilt wurde, steht sie seit 2010 unter Hausarrest. Wie aus Aufnahmen der Behörden hervorgeht, nahm sie an Lius Trauerfeier und Seebestattung teil. Das Staatsmedium Global Times meldete, die chinesische Regierung werde "ihre legitimen Rechte in Übereinkunft mit dem Gesetz" achten. Liu Xia sei "frei, aber in großer Trauer über den Tod ihres Mannes".

Lius älterer Bruder beschrieb Liu Xia als "zutiefst traurig" und so schwach, dass sie möglicherweise selbst zur Behandlung ins Krankenhaus müsse. Nach dem Tod von Liu Xiaobo forderte US-Außenminister Rex Tillerson die Pekinger Führung auf, Liu Xia aus dem Hausarrest zu entlassen "und ihrem Wunsch gemäß zu erlauben, China zu verlassen". Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderten von Peking ebenfalls, Liu Xia ausreisen zu lassen.

Proteste in Hong Kong

Lius Rechtsbeistand Jared Genser glaubt nicht daran, dass Liu Xia frei ist. Weder könne er mit ihr in Kontakt treten noch sehe er irgendwelche Anzeichen, dass Peking sie "gehen lassen will", sagte der US-Anwalt. Ihr Mann sei nicht einmal während seiner Bestattung frei gewesen, und jetzt müsse seine Witwe dasselbe "Leben in Unfreiheit" fortführen, vermutete auch Hu Jia, ein Freund der Familie.

In China selbst wird die Erinnerung an Liu Xiaobo unterdrückt. Die Staatsmedien ignorierten seinen Tod größtenteils. In sozialen Medien wie Sina Weibo ist Lius Name unterdrückt, die Suchmaschine Baido zeigt keine Treffer an. Während die Zensurbehörden auf dem Festland alle Erinnerungen an Liu Xiaobo löschen, gedachten in Hongkong tausende Demonstranten mit einem Protestmarsch an den verstorbenen Vertreter der Demokratiebewegung in China. Sie zogen am Samstagabend mit Trauerkerzen aus dem Zentrum der Stadt zum Verbindungsbüro der Volksrepublik.

© SZ.de/AFP/chrb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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