Dilma Roussef:Eine ungeheuerliche Amtsenthebung

Sie hat Krebs und Folter überstanden. Den Machtkampf in Brasilia nicht.

Von Boris Herrmann

Wenn kein Wunder geschieht, dann beginnt für Dilma Rousseff nun ihre letzte Woche als offizielle Staatspräsidentin Brasiliens. Am Montag soll sie im Senat verhört werden, aber die meisten Senatoren haben ihr Urteil längst gefällt. Nach Lage der Dinge wird die Zweidrittelmehrheit locker zustande kommen, um die suspendierte Rousseff endgültig ihres Amtes zu entheben. Die erste Frau im höchsten Staatsamt ist schuldig, da sind sich fast alle einig. Unklarheit herrscht bei der Frage, worin ihre Schuld eigentlich besteht?

Einige Senatoren werfen ihr vor, dass sie es versäumt habe, die dramatische Wirtschaftskrise zu stoppen. Andere verweisen auf den populistischen und verlogenen Wahlkampf vor ihrer Wiederwahl 2014, wieder andere auf ihre Unfähigkeit, den Riss in Brasiliens Gesellschaft zu kitten. Alle Vorwürfe sind berechtigt, aber keiner rechtfertigt das ungeheuerliche Impeachment. Es ist allzu offensichtlich, dass die Finanztricks, die Rousseff zur Last gelegt werden, nur als Vorwand dienen. Ein kapitales Verbrechen, dass diesen Schritt laut Verfassung erfordert, konnte ihr nicht nachgewiesen werden.

Die alte Kämpfernatur Rousseff ist schlichtweg politisch isoliert. Sie hat eine Krebserkrankung überstanden und die Folterkeller der Militärdiktatur. Bloß den sehr speziellen Machtkampf im demokratischen Brasília beherrschte sie nie. Das vor allem wird ihr nun zum Verhängnis.

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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