Diffuse Rechtslage:Was Staatsdiener verdienen

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Beamte werden nicht vorwiegend nach Leistung bezahlt, angemessen sollte das Gehalt andererseits schon sein - doch was ist angemessen?

Heribert Prantl

Das deutsche Beamtenrecht ähnelt einer komplizierten Religionslehre; seine Vorschriften sind so logisch wie der Katechismus; und Streitigkeiten über Reformen des Beamtentums werden denn auch so geführt, als ginge es um die Reinheit des wahren Glaubens. Der Kern dieser Beamtenreligion ist der Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes, der die ,,hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums'' garantiert.

Zu diesen hergebrachten Grundsätzen zählt das sogenannte Alimentationsprinzip, das im Zentrum der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehen wird und letztendlich besagt, dass Beamte nicht einfach nach Leistung bezahlt werden, sondern... - und dann wird es kompliziert.

Rechtsprofessor Ulrich Battis von der Berliner Humboldt-Universität erklärt es im ,,Deutschen Rechts-Lexikon'' juristisch vollendet so: ,,Die Dienstbezüge sind so zu bemessen, dass sie je nach Dienstrang, Bedeutung und Verantwortung des Amtes und entsprechender Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse angemessenen Lebensunterhalt gewähren und als Voraussetzung dafür genügen, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum im Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann.'' Noch Fragen?

Die werden auch an diesem Dienstag vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Zufriedenheit und zu allseitiger Klarheit beantwortet werden. Denn das Alimentationsprinzip besagt alles und nichts; das höchste Gericht hat verschiedentlich betont, dass das Gehalt ,,amtsangemessen'' sein müsse, dass der Gesetzgeber ein weites politisches Ermessen und großen Gestaltungsspielraum habe und dass Karlsruhe nicht prüfe, ob der Gesetzgeber auch wirklich die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt habe.

Anders gesagt: Das Alimentationsprinzip ist im Ergebnis ziemlich prinzipienlos. Man kann mit diesem Prinzip dem Beamten in München Recht geben, wenn er darauf verweist, dass er in München für seinen Lebensunterhalt zwangsläufig mehr Geld ausgeben muss als in Bruck in der Oberpfalz. Man kann dem Mann aber auch sagen, dass die Knapserei, zu der er im großstädtischen Ballungsraum gezwungen ist, eine stabile und gesetzestreue Verwaltung nicht gefährde.

Inbrunst der Funktionäre

Daher verwundert eigentlich die Inbrunst, mit der Beamtenfunktionäre an den sogenannten hergebrachten Grundsätzen und dem Alimentationsprinzip festhalten. Früher gab es für alle Beamten in Großstädten tatsächlich Ortszuschläge. Sie wurden abgeschafft. Sie waren wohl nicht ,,hergebracht''.

Der Hamburger Staatsrechtsprofessor Hans Peter Bull meint, dass solche Zulagen ,,eigentlich'' zum Alimentationsprinzip gehören - aber das Kennzeichen der Beamtenbesoldung sei nun einmal vor allem ihre Inkonsequenz. Bull, vormals Innenminister von Schleswig-Holstein, also Kenner der Praxis, hat daher schon vor Jahren empfohlen, das Alimentationsprinzip ad acta zu legen - im Zuge einer Fundamentalreform des Beamtenrechts.

Er hat eine von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen eingesetzte Kommission geleitet, die 2003 eine kluge Studie dazu vorgelegt hat; danach sollte die Spaltung des öffentlichen Dienstes in zwei Klassen und zwei Dienstrechtssysteme (Beamte auf der einen, Angestellte und Arbeiter auf der anderen Seite) grundsätzlich beendet, das Beamtentum auf seinen Kernbereich reduziert und die Besoldung auf das Leistungsprinzip umgestellt werden.

Als vor 200 Jahren aus Fürstendienern Staatsdiener wurden, standen sie an der Spitze des Fortschritts. Das ist lange her; könnte aber wieder so sein, wenn man sich beim ,,Hergebrachten'' heute nicht vor allem am Beamtenbild der Weimarer Republik orientieren würde. Der neue Kernsatz des öffentlichen Dienstes, der neue Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz, wie ihn die Bull-Kommission formulieren würde, sähe so aus: ,,Die Bürgerinnen und Bürger sind Kunden des Staats''. Entsprechend kundenfreundlich wären dann Salär und Dienstvorschriften zu gestalten. Aber das kann nicht das höchste Gericht verfügen, das muss schon der Verfassungsgesetzgeber machen.

© SZ vom 6.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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