Dieselskandal:Recht und Moral

Die Razzia vom Dienstag deutet darauf hin, dass auch Daimler die Grenze zum Betrug überschritten hat.

Von Max Hägler

Die Wahrnehmung zum Dieselskandal ist bislang eindeutig: Der Bösewicht ist VW. Das Unternehmen stand für ein System von Betrug an der Gesellschaft zum Wohle der eigenen Rendite. Wenn Umweltschützer und Behörden bei anderen Autobauern massiv überhöhte Abgas- und schöngemessene Verbrauchswerte feststellten, redeten die sich wortreich heraus; sie hätten in einem juristischen Graubereich gehandelt. Womöglich ein bisschen moralisch bedenklich, aber niemals illegal. Entscheidend sei ja die rechtliche Bewertung. So ging das stets.

Die Razzia in Stuttgart bei Daimler weitet das Bild vom Dieselbetrug auf diese Ausreden aus und schärft es. Nichts ist bislang erwiesen. Aber es geht endlich um die größere Frage, bis wohin man die Rechtsrahmen auslegen darf, nach denen Motoren und Auspuffanlagen zu arbeiten haben? Die Normen sind tatsächlich schwammig - da hatte die gesamte Industrie einst erfolgreich Einfluss genommen.

Das Aufgebot, mit dem die Staatsanwaltschaft am Dienstag bei dem von Dieter Zetsche geführten Konzern vorstellig wurde - 230 Polizisten, 23 Staatsanwälte - gibt nun einen deutlichen Hinweis: Die Stuttgarter Manager agierten nicht nur innerhalb des Graubereichs, sondern überschritten mutmaßlich sogar dessen weitgefasste Grenzen. Moral und Recht lassen sich vielleicht doch nicht so klar trennen. Das wäre eine erfreuliche Nachricht.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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