Diesel-Affäre:Merkel muss mehr schrödern

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Erst vom Auto-Gipfel wegbleiben und dann rummosern - das ist falsch. Es geht, unter anderem, um 800000 Arbeitsplätze. Da braucht es Tatkraft und Sensibilität.

Von Nico Fried

Schon im Herbst wird es einen zweiten Diesel-Gipfel geben. Das hat die Kanzlerin jetzt bekräftigt. Dann soll geprüft werden, ob die Auto-Industrie ihre Zusagen vom ersten Gipfel eingelöst hat. Auch wenn Angela Merkel offen ließ, ob vor oder nach der Wahl - die eigentliche Botschaft ist, dass sie einen Fehler eingesehen hat: Sie muss sich mehr um das Thema kümmern. Das hat weniger mit dem Wirbel zu tun, den ihr Herausforderer Martin Schulz veranstaltet, umso mehr aber mit den 800 000 Arbeitsplätzen, um die es bei der Bewältigung der Diesel-Affäre geht. Diese Zahl hat Merkel jetzt bei ihrem Wahlkampfauftakt in Dortmund genannt - und so letztlich gegen sich selbst und ihr Fernbleiben vom ersten Gipfel argumentiert.

Gerhard Schröder, Merkels Vorgänger, dem die Bezeichnung Autokanzler quasi zum zweiten Vornamen geworden war, hat sich am Wochenende ein wenig mokiert über Merkel. Er wolle ja niemandem den Urlaub vermiesen, so Schröder in einem Interview, aber er hätte da selber die Führung übernommen. Und wenn ein Auto-Manager ihm arrogant gekommen wäre, hätte er ihn gleich aus der Sitzung rausgeschmissen. Mit anderen Worten: Schröder hätte den Diesel-Gipfel zu einer wirtschaftspolitischen Inszenierung gemacht, bei der wie bei der am Ende gescheiterten Holzmann-Rettung die Show erst einmal wichtiger gewesen wäre als das Ergebnis.

Darauf hat Merkel verzichtet, weil Großspurigkeit nicht ihre Art ist. Vielleicht auch, weil sie eine unerfreuliche Erfahrung mit Autos in Wahlkämpfen schon hinter sich hat: Am Ende ihrer ersten großen Koalition verhandelten sie und ihre Minister in schier endlosen Sitzungen eine Rettung für Opel. Der Plan scheiterte am Ende, und als Held ging aus den langen Nächten auch noch der CSU-Wirtschaftsminister hervor, ein gewisser Karl-Theodor zu Guttenberg, der zwar keine bessere Idee präsentierte, sich aber als ordnungspolitischer Gralshüter in Szene setzte.

Trotzdem wäre es gut, wenn Merkel in der Diesel-Affäre etwas mehr schrödern würde. Man kann es zwar durchaus als subtile Bestrafung der versammelten Manager-Riege verstehen, dass Merkel ihnen in Alexander Dobrindt und Barbara Hendricks zwei ihrer schwächsten Minister gegenübersetzte. Aber wenn die Kanzlerin dann die Ergebnisse des Gipfels mit wenig Begeisterung beurteilt - "das Mindeste" -, wirft sie auch damit noch einmal selbst die Frage auf, ob ihre Präsenz nicht mehr bewirkt hätte. Altkanzlern minus Show wäre richtig gewesen - wegbleiben und dann rummosern ist ganz sicher falsch.

Merkel hält Distanz zu den Chefs der Autofirmen, die so viel Vertrauen verschleudert haben. Das mag populär sein. Aber die Kanzlerin sollte die Sensibilität der Belegschaften in Wolfsburg und anderswo nicht unterschätzen. Die erinnern sich gut, dass ihre Firmen, deren Bosse und vor allem sie selbst zu anderen Zeiten als Kulisse für bildstarke Besuche in Wahlkämpfen dienten. Und sie könnten gereizt reagieren, wenn sie nun den Eindruck bekommen sollten, man habe sie damals nur benutzt.

© SZ vom 14.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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