Die Verteidigung:Freundschaftsdienst für die Brüder

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Die Anwälte Mzoudis argumentieren, dessen Verhalten erkläre sich aus orientalischen Gepflogenheiten und sei nicht strafbar.

Nicolas Richter

(SZ vom 8.8.2003) - Die Hamburger Terroristen sollen bei ihren Treffen oft über die Juden geschimpft haben. Ein Zeuge erinnert sich, dass bei einer Zusammenkunft, an der auch der Angeklagte Abdelghani Mzoudi teilnahm, "die Beherrschung Amerikas durch die Juden" angeprangert worden sei.

Als der Karlsruher Anwalt Michael Rosenthal zum ersten Mal seinen Mandanten Mzoudi traf, wies er deswegen sofort darauf hin, dass er jüdischer Abstammung sei, und fragte, ob ihm Mzoudi folglich misstraue. Doch Mzoudi lächelte und sagte: "Ich glaube, Ihr Problem ist größer als meines." Rosenthal war überrascht: "So redet doch kein islamischer Fanatiker, der in seinem Weltbild gefangen ist."

Verteidigung: "Harmlose Randfigur"

Der Karlsruher Anwalt und seine Hamburger Kollegin Gül Pinar werden versuchen, Mzoudi vor Gericht als harmlose Randfigur darzustellen. Zu Beginn der Hauptverhandlung, wenn die Anklage verlesen ist, wollen die Verteidiger erklären, wie sie die Vorwürfe zu widerlegen gedenken: Mzoudi stamme aus der arabischen Kultur, dies habe sein Leben geprägt.

Er sei zudem ein religiöser Mensch, der die Regeln des Islam beachte. "Es versteht sich deshalb von selbst, dass der Generalbundesanwalt in 120 Leitz-Ordnern Material vier Umstände gefunden hat, die er nicht versteht und die er deshalb als Indizien gegen den Angeklagten gewürdigt wissen will", sagen die Verteidiger. Sie wollen die "vermeintlich belastenden Umstände" als "Teil einer anderen Normalität" schildern.

Die Anklage hat Belege für zahlreiche Hilfsdienste Mzoudis; speziell seine Überweisungen zu Gunsten der Terroristen-Freunde sind kaum zu widerlegen. Fraglich ist allerdings, wie man solche Vorgänge interpretiert: als gezielte Beiträge zu einem terroristischen Unternehmen oder als im Orient üblichen Freundschaftsdienst für die "Brüder"?

Ähnliche Strategie wie bei Motassadeq

Diese Bewertung spielt in Terrorfällen immer eine Rolle, wenn es um Randfiguren geht - zuletzt im Prozess gegen Mounir el Motassadeq, der im Februar zu 15 Jahren Haft verurteilt worden ist.

Die Anwälte Motassadeqs hatten erfolglos auf die Strategie gesetzt, die Hilfsdienste ihres Mandanten für die Hamburger Zelle als harmlose Gefälligkeiten unter Freunden darzustellen. Die Verteidiger Mzoudis wollen an dieser Linie dennoch festhalten. Allerdings haben sie ihrem Mandanten Schweigen verordnet - aus Angst, er könne sich selbst belasten.

Motassadeq hatte Sensibles immer so lange abgestritten, bis es nicht mehr zu leugnen war. So musste er einräumen, dass er in Afghanistan gewesen war, nachdem ein Zeuge ihn belastet hatte.

Mzoudi ist bereits Ähnliches widerfahren. In seiner ersten Vernehmung - er hatte die Polizei vier Tage nach den Anschlägen von New York und Washington nach der Durchsuchung seiner Hamburger Wohnung freiwillig aufgesucht - behauptete er, den Todespiloten Mohammed Atta nur oberflächlich gekannt zu haben. Dann stellte sich heraus, dass er als Zeuge schon 1996 dessen Testament unterschrieben hatte.

Das Vorgehen hatte in anderen Prozessen Erfolg

Die Strategie, Hilfsdienste für Terroristen als orientalische Sitte darzustellen, hat in anderen Terrorverfahren allerdings Erfolg gehabt - etwa im Zusammenhang mit der Terrorzelle al-Tawhid, die Anschläge in Deutschland geplant hatte. Von den Hauptfiguren führten Spuren zu vielen Bekannten, die verdächtig waren, weil sie Kontakt zum harten Kern hatten, weil sie konspirativ telefonierten, Geld transferierten und radikale Literatur zu Hause hatten.

Der Münchner Verdächtige Thaer Mansour gab beispielsweise an, er helfe oft fremden Muslimen. Gerade in der Fremde sei dies üblich, wenn nötig auch in finanziellen Dingen. Der Haftbefehl gegen ihn wurde im August vorigen Jahres aufgehoben, weil die Hinweise nicht ausreichten, um ihm die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzulasten. Sein Anwalt Andreas Schwarzer sagte damals: "Araber tun eben vieles, das wir nicht verstehen."

Wie schon die Anwälte Motassadeqs wollen auch Mzoudis Verteidiger versuchen, eine Aussage des Logistikers Ramzi Bin al-Schibb zu bekommen. Der könne, sagen sie, bezeugen, Mzoudi habe von den Anschlagsplänen nichts gewusst und nur den Brüdern einige Gefallen getan.

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