Die Städte im Vergleich:"Nicht zu Lasten Schwächerer"

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In den großen Städten hält sich die Freude über die Zulassung der E-Scooter eher in Grenzen: Viele fürchten, dass es auf den Geh- und Radwegen und den Straßen noch enger werden könnte.

Hamburg: Grundsätzlich positiv

(Foto: Gemeinfrei (oH))

Der Stadtstaat Hamburg arbeitet gerade daran, sich vom alltäglichen Verkehrschaos mit Stau und Stickoxidbelastung zu befreien. Der Ausbau von öffentlichem Nahverkehr und Radwegenetz gehören zur Strategie. Und gerade zu letzterem Vorhaben würde die Genehmigung der E-Scooter gut passen. Auf den Straßen entsteht mehr Platz für Nicht-Autofahrende, also auch für Leute, die das neueste Gerät der emissionsfreien Kleinfahrzeug-Familie nutzen wollen. In der Hamburger Verwaltung sieht man die Ankunft des Gefährts deshalb grundsätzlich positiv. "Alles, was das Potenzial hat, den Straßenverkehr zu entlasten, ist willkommen", sagt Christian Füldner, Sprecher der Verkehrsbehörde. Gerade auf den letzten Metern von U- oder S-Bahnhof bis zum Ziel könne der E-Scooter praktisch sein. Allerdings haben die Verantwortlichen im rot-grünen Senat auch jene Schreckensbilder im Kopf, die Gehwege mit Haufen von achtlos abgestellten Rollern zeigen. Die Mobilitätsexperten der Hansestadt stehen deshalb in regem Austausch mit diversen Unternehmen, die Mietangebote planen. Über die Lösung kann Füldner noch nicht sprechen, aber sie könnte so ähnlich aussehen wie bei den Ausleihfahrrädern der Deutschen Bahn. Für die gibt es feste Stationen im Stadtgebiet. An denen können sich die per App registrierten Nutzer die Räder nehmen - an denen müssen sie diese aber auch wieder abgeben. Hamburgs Botschaft ist eindeutig: nein zum Wildscooterparken. Thomas Hahn

Berlin: "Nicht zu Lasten Schwächerer"

(Foto: Gemeinfrei (oH))

In der Hauptstadt stellt sich der Senat darauf ein, dass schnell sehr viele E-Scooter im Stadtbild auftauchen werden. Man erwarte einen spürbaren Marktauftritt mit etlichen Tausend E-Tretrollern, heißt es aus der Verkehrsverwaltung. Die Verkehrssenatorin Regine Günther hat klare Vorstellungen, wo diese Roller ihren Platz haben dürfen, und wo nicht. "Berlin hat sich von Anfang an dafür eingesetzt, dass Bürgersteige Schutzräume für Fußgängerinnen und Fußgänger bleiben", sagt sie. Gerade für Kinder, Ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen müsse dieser Schutzraum gewährleistet bleiben. Berlin plädiert für ein Mindestalter der Nutzer von 15 Jahren. Die Verkehrsverwaltung hat nach eigenen Angaben Gespräche mit acht Anbietern geführt, die E-Tretroller im Leihservice anbieten wollen. Für sie sollen die gleichen Regeln gelten wie für Leihräder. Was bedeutet, dass Scooter nirgendwo im Weg stehen und schon gar nicht Eingänge von U-Bahnen, Fahrstühlen oder Gebäuden versperren dürfen. Wer Leih-Stationen einrichten will, muss eine sogenannte "Straßensondernutzung" beantragen. Ohnedies sind nicht mehr als vier Roller an einem Ort erlaubt. Defekte und auch nicht betriebsbereite Gefährte müssen nach den Regeln binnen 24 Stunden entfernt werden. "Neue, klimafreundliche Mobilitätsangebote können ein wichtiger Beitrag zur Verkehrswende sein", sagt die Senatorin, "ihre Einführung darf aber nicht zu Lasten schwächerer Verkehrsteilnehmer gehen." Jens Schneider

Frankfurt: Die Freude hält sich in Grenzen

(Foto: Gemeinfrei (oH))

Der Ankunft der E-Roller sehen die Stadtoberen in Frankfurt alles andere als freudig entgegen. Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) verspricht sich von den Scootern keinen Mobilitätsvorteil, zumindest nicht für die Innenstadt, die sehr übersichtlich ist, vielerorts eng und wo man alle paar Meter eine Bus-, Tram-, S- oder U-Bahn-Haltestelle findet. Außerdem hat Frankfurt zurzeit drängendere Probleme: Um ein Diesel-Fahrverbot zu vermeiden, muss es mehr Platz für Radler geben. Und weil es daran mangelt, kann man schon jetzt auf Wegen sowie Straßen ziemlich unschöne Begegnungen von Verkehrsteilnehmern jedweder Art erleben. Aber die Scooter kommen, etliche Verleiher sind schon bei der Stadt vorstellig geworden. Oesterling versucht, so gut er eben kann, etwas Ordnung in die Dinge zu bringen. Die Anbieter sollen nicht mehr als fünf Roller an einem Ort aufstellen, dafür sorgen, dass defekte Exemplare abgeholt werden, und - ganz wichtig - verhindern, dass die Leute durch Park- und Grünanlagen der Stadt fahren. Das ist nämlich verboten. Nach Auskunft des Verkehrsdezernats haben die Verleiher versprochen, ihre Modelle mithilfe von GPS so zu programmieren, dass sich in Tabu-Zonen der Motor abstellt und der Ausleiher das Gerät zurück auf die Straße schieben muss. Ob das klappt, weiß kein Mensch. Sollte es nicht der Fall sein, bekommen die Mitarbeiter vom Grünflächen- und Ordnungsamt vom Sommer an ganz neue Wächteraufgaben. Susanne Höll

München: Angst vor einem Desaster

(Foto: Gemeinfrei (oH))

Diese Zahl verunsichert Münchens Lokalpolitiker: Mit bis zu 10 000 E-Scootern rechnet die Ordnungsbehörde in den kommenden Monaten. Und das sind nur die, die von Sharing-Anbietern an den Straßen aufgestellt werden. Wie viele Münchner sich privat so ein Ding anschaffen, ist nicht abzusehen. Der Grund für die Sorge: Auf Radwegen und chronisch überfüllten Straßen könnte es bald zu Konflikten mit Rad- und Autofahrern kommen. Und wenn dann noch Massen geparkter Leihroller Gehwege und U-Bahn-Eingänge blockieren, könnte sich der Unmut der Münchner in Vandalismus äußern. So geschehen mit unzähligen Rädern des Sharing-Anbieters Obike, die bald in Bäumen hingen, in der Isar landeten oder einfach so zerstört wurden. Ein ähnliches Desaster will die Stadt unbedingt verhindern und arbeitet derzeit an einer Vereinbarung, in der unter anderem geregelt werden soll, wo die Verleiher ihre Roller aufstellen. Details nennt die Stadt noch nicht, erklärt aber, dass sie den Sharing-Diensten letztlich nichts vorschreiben könne und die Scooter wie Fahrräder überall abgestellt werden dürfen, wo sie kein Hindernis oder Sicherheitsrisiko darstellen. Acht Anbieter haben sich bis jetzt bei der Stadt gemeldet, dass es noch mehr werden, ist nicht auszuschließen. Im Rathaus hofft man, dass sich die Sharing-Dienste besser um ihre Fahrzeuge kümmern als einst Obike. Allein schon deshalb, weil sie viel wertvoller sind als ein normales Fahrrad. Andreas Schubert

© SZ vom 17.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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