Die SPD und Lafontaine:Schlauer wäre: Klappe halten

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Die SPD sollte die Attacken von Oskar Lafontaine ignorieren, statt ihm ständig eine Bühne zu geben.

Claus Hulverscheidt

Enttäuschte Liebe ist schlimmer als aller Hass. Was Familienanwälte und Scheidungsrichter täglich erleben, lässt sich auch in der Politik immer wieder in haarsträubender Form beobachten. Im Jahr neun nach der Trennung zwischen Oskar Lafontaine und der SPD haben die gegenseitigen Angriffe und Beschimpfungen ein Niveau erreicht, das man den eigenen Kindern nicht durchgehen lassen würde: Lafontaine nennt Vizekanzler Franz Müntefering ein "Großmaul", die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan und die Parteien, die sie dorthin geschickt haben, rückt er in die Nähe von Terroristen.

Umweltminister Sigmar Gabriel kontert, der ehemalige SPD-Chef sei ein "Helfershelfer der Taliban", der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler will im ehemaligen Duz-Freund gar "Luzifer" persönlich erkannt haben.

Sieht man einmal von der Wortwahl ab, so ist die Verärgerung der Sozialdemokraten auf den ersten Blick verständlich. Seit seiner Rückkehr in die Politik hat sich Lafontaine vom intellektuellen Enkel Willy Brandts zu einem Populisten und Demagogen entwickelt, der auch vor politischer Brandstiftung nicht zurückschreckt. Anders als etwa viele linke Globalisierungskritiker, die mit Blick auf den Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm jegliche Zusammenarbeit mit rechten G-8-Gegnern ablehnen, scheut sich der Saarländer nicht, auch im nationalistischen Sumpf zu fischen.

Selbstmitleidige Genossen

Strategisch betrachtet macht die SPD jedoch einen großen Fehler, wenn sie sich immer wieder auf den verbalen Schlagabtausch mit Lafontaine einlässt. Statt den Dauer-Provokateur durch pures Ignorieren einfach auflaufen zu lassen, verschaffen ihm führende Sozialdemokraten immer wieder eine Bühne, auf der Lafontaine gekonnt den Rächer von Rentnern und vermeintlichen Hartz-IV-Opfern mimt. Diese Auseinandersetzung mit einem ausgebufften Scharlatan kann und wird die SPD nicht gewinnen; sie sollte sie deshalb lassen.

Dass so viele SPD-Politiker auf den Ex-Chef reinfallen, ist nur damit zu begründen, dass die Partei mit sich nicht ins Reine kommt. Statt den aktuellen Wirtschaftsaufschwung selbstbewusst für sich zu reklamieren, suhlen sich viele Sozialdemokraten angesichts schlechter Umfragewerte lieber im Selbstmitleid - frei nach dem Motto: Hätten wir auf die Agenda 2010 verzichtet, ginge es zwar nicht dem Land, wohl aber der SPD besser. Wer so irrlichternd vor den Wähler tritt, darf sich nicht wundern, wenn sich die Menschen abwenden und scheinbaren Wunderheilern zuwenden.

Für das Land haben Lafontaines Attacken immerhin auch etwas Gutes: So lange der Scharfmacher an der Spitze des künftigen Bündnisses aus ostdeutscher PDS und westdeutscher WASG steht, wird die SPD zumindest auf Bundesebene auf jegliche Zusammenarbeit mit der Linken verzichten. So gesehen muss man sich also eigentlich wünschen, dass Oskar Lafontaine der Politik noch möglichst lange erhalten bleibt.

© SZ vom 29. Mai 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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