Die Rolle des Ministerpräsidenten:Viel Arbeit, wenig Einfluss

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In Russland ist der Premier das Scharnier zwischen dem Kreml und den Ministerien - eine Art Administrator der Macht.

Frank Nienhuysen

Fradkow? Der Name des scheidenden russischen Ministerpräsidenten ist den meisten vermutlich in etwa so geläufig wie der des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium. Immerhin ist Russlands Premier als Vorsitzender der Regierung nach Artikel 114 der Verfassung für den russischen Haushalt zuständig, in den die gewaltigen Öleinnahmen derzeit sprudeln wie noch nie.

Vor wenigen Tagen erst verkündete Fradkow die üppigen Zahlen für das zweite Quartal des Jahres, der Premier organisiert im Wesentlichen die Regierungsarbeit - und doch wird er erdrückt von der schieren Macht des russischen Präsidenten.

Deutlich wurde das Kräfteverhältnis, als Michail Fradkow am Mittwoch fast bittstellergleich bei Kremlchef Wladimir Putin um seinen Rücktritt ansuchte, damit dieser bei der Personalplanung für die bevorstehenden Wahlen freie Hand habe.

Der allgewaltige Staatschef verkörpert wie kein anderer Politiker die Exekutive in Russland, mehr noch als der Ministerpräsident sind oft sogar die Außen- und Verteidigungsminister in Erscheinung getreten. Der Premier ist das Scharnier zwischen dem Kreml und den Ministerien, eine Art Administrator der Macht. Funktioniert die Zusammenarbeit, kann er auf eine lange Amtszeit hoffen. Michail Fradkow war seit März 2004 im Amt, für russische Verhältnisse ist dies fast schon eine Ära.

Präsident bestimmt den Spielraum des Premiers

Wie sehr das Amt des Ministerpräsidenten zur Manövriermasse des Präsidenten gehört, zeigte Präsident Boris Jelzin, der die Premiers in schneller Folge ernannte und wieder schasste. Sergej Kirijenko, Sergej Stepaschin, Jegor Gajdar, Jewgenij Primakow, viele von ihnen blieben nur wenige Monate. Mit einer Ausnahme: Viktor Tschernomyrdin war in den neunziger Jahren mehr als fünf Jahre Premier - und doch vor allem deshalb, weil Präsident Jelzin deutlich schwächelte, und mit ihm der marode Staat, der sich aus finanzieller Not das Geld von den reichen Oligarchen pumpen musste.

Der Premier kann also durchaus entscheidenden Einfluss auf die Führung des Landes haben - allerdings: wie viel, das bestimmt der Präsident. Putin selber war Regierungschef, bevor er in den Kreml einzog. Nicht aber, weil er mit aller Wucht auf den Posten strebte, sondern weil Jelzin in ihm einen loyalen Nachfolger sah, der das Zeug habe, Russland zu führen. Wie stark also Viktor Subkow sein wird, der an diesem Freitag von der Duma bestätigt werden dürfte, wird allein Präsident Putin wissen.

© SZ vom 14.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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