Die Linke vor dem Parteitag:Strotzend vor Selbstbewusstsein

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Mit ihrem Frontmann Oskar Lafontaine geht die Linke in den ersten Parteitag - die Programmdebatte ist auf später verschoben.

Daniel Brössler

Bodo Ramelow ist hörbar bester Laune. "Wenn Sie sehen könnten", ruft er ins Handy, "was ich hier sehe." Der Vize-Fraktionschef der Linkspartei wartet auf sein Boot, genießt den venezianischen Ausblick und ist in Plauderstimmung. "Da fährt gerade ein riesiges Kreuzfahrtschiff vorbei", berichtet er. Man könnte annehmen, dass der Mann andere Sorgen hat. Ende dieser Woche nämlich treffen sich die Delegierten der neuen Linkspartei in Cottbus zu ihrem ersten Wahlparteitag.

Zuversichtlich in die Zukunft: das Führungstrio Lothar Bisky (links), Gregor Gysi und Oskar Lafontaine (Foto: Foto: dpa (Archiv))

Dann muss sich zeigen, ob aus Ost und West zusammengefunden hat, was zusammengehört. "Spannend" werde das, sagt Ramelow, der sich noch ein paar Tage Urlaub gönnt und erst kurz vor dem Parteitag nach Deutschland zurückkehren wird. Sorgen, so viel ist klar, macht er sich nicht. "Ich bin innerlich aufgeräumt", sagt er.

Die Gelassenheit hat Gründe: Die neue Partei sieht sich auf einem Pfad, der mit jeder schlechten Nachricht im Lande noch näher zum Erfolg führt. Der Beginn dieser Woche zeigt das sehr anschaulich. Die Zeitungen der Republik verbreiten den neuen Armutsbericht. "Jeder achte Deutsche arm" - das sind Schlagzeilen, durch die sich die Linken bestätigt fühlen.

Im Armutsbericht stehe ja nur das, "was Sie häufig von der Partei der Linken hören", verkündet Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch nach einer Vorstandssitzung im Berliner Karl-Liebknecht-Haus vor Journalisten. "Zumindest doppelzüngig" sei nun das Bedauern der Sozialdemokraten, beteuert er süffisant. Die Herrschaften von der SPD seien ja seit zehn Jahren an der Macht und trügen einen guten Teil der Verantwortung für die Verarmung.

Der Zeigefinger in Richtung SPD ist die leichteste Übung der Linken, und er zeitigt bislang beachtliche Erfolge. Ein knappes Jahr nach dem Zusammenschluss der ostdeutschen PDS mit der westdeutschen WASG steht die neue Partei bestens da. Besser jedenfalls, als es selbst das eigene Führungspersonal für realistisch gehalten hätte. Fraktionschef Gregor Gysi und Parteichef Lothar Bisky geben unumwunden zu, dass sie die Wahlerfolge der vergangenen Monate in diesem Ausmaß nicht für möglich gehalten hätten.

Er sieht, dass es gut ist

Mit Ergebnissen zwischen 5,1 und 8,4 Prozent zogen die Linken in vier westdeutsche Länderparlamente ein. Insgesamt in zehn Landtagen ist die Partei mittlerweile vertreten, weitere werden mit hoher Wahrscheinlichkeit hinzukommen. Wem sie den Erfolg zu verdanken haben, wissen die PDS-Veteranen Gysi und Bisky natürlich - jenem Mann, mit dem sie sich jeweils Fraktions- und Parteivorsitz teilen: Oskar Lafontaine.

Der Saarländer, ohnehin nicht bekannt als Selbstzweifler, betrachtet mit großem Vergnügen sein Werk und sieht, dass es gut ist. "Wir regieren derzeit aus der Opposition heraus", verkündete er jüngst vergnügt während eines Frühstücks mit Berliner Journalisten. Ob Pendlerpauschale, ob Steuer, ob Kindergeld - die Agenda im Lande werde doch längst von den Linken gesetzt, doziert Lafontaine bei dieser und auch jeder anderen Gelegenheit.

Der Populismusvorwurf prallt ab

Das Erstarken der Linken zur gesamtdeutschen Kraft hat die Parteienlandschaft nicht nur in Unruhe versetzt, sondern auch verändert. Im neuen Fünf-Parteien-System der Berliner Republik werden die Karten neu gemischt. Wie gut das eigene Blatt ist, ist bei den Linken allerdings umstritten.

"Die Partei muss sich konzeptionell besser aufstellen", mahnt die Vize-Parteichefin Katina Schubert. In Cottbus stellt sich die 46-Jährige nicht mehr zur Wahl, und zwar ausdrücklich, um deutlicher Kritik an Zuständen in der Partei üben zu können - nicht zuletzt an Parteichef Lafontaine, dem es "um Außenwirkung und nicht um Positionen" gehe. Den Vorwurf des Populismus und der mangelnden Realitätsnähe lässt der Vorsitzende an sich abprallen. " Ich habe in den vergangenen 25 Jahren als Bürgermeister, Ministerpräsident und als Finanzminister Politik gemacht, die nach dem Urteil der Wählerinnen und Wähler realitätsfest war", postuliert er im Interview mit sueddeutsche.de.

Im zweiten Teil verschiebt sich die Machtbalance in der Partei.

Weniger Lafontaines Parolen, eher schon sein Ton ist es, der ihn vor allem bei ostdeutschen Parteimitgliedern in Verruf bringt. Mit seiner autoritären Ader geht er vielen in Partei und Fraktion auf die Nerven. "Oskar ist eben ein chefiger Typ. Da müssen alle durch. Er steht für den Erfolg der Partei, das kann niemand ersetzen", wirbt Gregor Gysi um Verständnis für den Kollegen im Fraktionsvorsitz. Interessant ist die Erklärung, welche das aus der früheren PDS stammende Führungspersonal für das Auftreten des Saarländers findet.

Nicht immer "in die Ecke stellen und leiden"

Lafontaine habe eben einen Stil mitgebracht, "wie er in der SPD vorherrscht." In der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Staatspartei SED hätten sich in der PDS andere, diskussionsorientiertere Umgangsformen durchgesetzt. Das sieht auch Vize-Fraktionschef Ramelow so, dennoch vermutet er hinter der Kritik an Lafontaine auch "ostdeutsche Larmoyanz". Die Ostdeutschen, zu denen er selber zählt, müssten eben selbstbewusst auftreten und sich nicht immer gleich "in die Ecke stellen und leiden".

Das klingt nach verkehrter Welt, wirkte die Partei zu PDS-Zeiten doch als Bastion des Ossitums. Nun fürchten viele Mitglieder und Funktionäre im Osten die Verwestlichung. Mit Ostdeutschland-Konferenzen und ähnlichen Veranstaltungen versucht die Parteispitze solchen Ängsten entgegenzuwirken und verweist darauf, dass die Wahlerfolge im Westen bislang nicht zu Niederlagen im Osten geführt hätten.

Nicht wegzudiskutieren ist allerdings, dass sich die Machtbalance in der Partei verschiebt. Von den 562 Delegierten in Cottbus werden immerhin 41 Prozent aus den alten Bundesländern kommen. Da gebe es durchaus noch eine kulturelle Kluft, räumt Ramelow ein. Denn: "Es macht eben einen Unterschied, ob man Führerschein sagt oder Fahrerlaubnis."

Unprofessionell sei das

Derartiger Fremdheit zum Trotz rechnet kaum jemand mit ernsthaften Verwerfungen während des Parteitages. Die Wiederwahl der Parteivorsitzenden Lafontaine und Bisky ist gesichert, und auch bei der Wahl der Stellvertreter wird kein Ärger erwartet - jedenfalls seit die Kommunistin Sahra Wagenknecht den Kampf um den Posten abgeblasen hat.

Bisky und Gysi hatten deutlich Stellung bezogen gegen die Kandidatur der Galionsfigur der Kommunisten und vor einem verheerenden Signal gewarnt. Auch in diesem Fall freilich offenbarte sich ein Ost-West-Konflikt. Oskar Lafontaine nämlich weigerte sich beharrlich, ein schlechtes Wort über Wagenknecht zu verlieren. Unprofessionell sei das, raunzte er. Ihm fehle jegliche Sensibilität für die Fallstricke der DDR-Vergangenheit, mutmaßten hingegen viele in der Partei.

Ein Programm werden die Linken in Cottbus nicht verabschieden, stattdessen einen eher dünnen Leitantrag mit der bekannten Auffassung, "dass die bestehenden kapitalistischen Verhältnisse nicht das letzte Wort der Geschichte sind." Vertreter einer pragmatischen Linie wie Katina Schubert rechnen abseits solcher Bekenntnisse für die Zukunft mit heftigen Konflikten um die praktische Politik. "Die programmatische Auseinandersetzung liegt erst vor uns", sagt sie. Beginn der Debatte: nach dem Parteitag.

© SZ vom 20.5.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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