Die Linke und der Mindestlohn:Abteilung Attacke in der Defensive

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Eigentlich wollte Gregor Gysi die SPD vorführen und ließ im Bundestag über einen Antrag zum Mindestlohn abstimmen, der eins zu eins einem Papier der SPD entsprach. Doch dann half die CDU den Sozialdemokraten aus der Patsche.

Thorsten Denkler, Berlin

Die Linkspartei hatte sich das so schön ausgemalt. Mit einem Antrag zum Mindestlohn, der Wort für Wort von der SPD abgeschrieben war, wollte sie die Sozialdemokraten in die Enge treiben. Die Linksfraktion muss sich ihrer Sache sicher gewesen sein, denn die Fraktion erschien praktisch vollzählig. Als Redner fuhr sie mit Gregor Gysi ihr schwerstes Geschütz auf.

Am Ende ab war es die Linke, die sich rechtfertigen und verteidigen musste - und sich dabei beinahe um Kopf und Kragen redete. Plötzlich ging es nicht mehr um Mindestlohn, sondern um die Frage, wie denn die Linkspartei ihre Mitarbeiter in der Fraktion behandele. Arbeitsminister Franz Müntefering sah sich das Schauspiel genüsslich aus der dritten Reihe seiner Fraktion heraus an.

Ein Spiegel-Bericht hatte offenbar die Aufmerksamkeit der CDU-Arbeitsmarktsprecherin Gitta Connemann erweckt. In dem Artikel ging es um das wenig arbeitnehmerfreundliche Verhalten von Links-Abgeordneten ihren Mitarbeitern gegenüber. Connemann sprach von Fraktionären, die ganze Teams rausgeschmissen hätte, andere hätten erst reihenweise 400-Euro-Jobber eingestellt und die Verträge dann bei Bedarf wieder aufgelöst. Manche stellten ein und entließen, wie es ihnen passe.

CDU an Linke: Hütet Euch vor den falschen Propheten

Zuvor hatte schon Connemanns FDP-Kollege Heinrich Kolb die Frage aufgeworfen, warum es in der Linken nicht mal einen Betriebsrat für die Mitarbeiter der Abgeordneten gebe.

Das brachte Bodo Ramelow, Fraktionsgeschäftsführer der Linken, mächtig in Rage. "Wir haben einen Betriebsrat!", rief er und fragte Connemann, wie die darauf komme, dass es anders sei.

Connemann blieb gelassen. "Ich habe gar nichts von Betriebsrat gesagt", sagte sie. "Das war Herr Kolb." Und konterte mit besagtem Spiegel-Text. Ramelow muss ziemlich aufgebracht gewesen sein. Er zeigte Connemann einen Vogel, als sie mit dem Bibel-Zitat schloss: "Hütet Euch vor den falschen Propheten".

Gregor Gysi sagte später, man könne ja wohl kaum das Verhalten der Fraktion mit dem Verhalten einzelner Abgeordneter gleichsetzen. Er versuchte mit einer Offensive abzulenken. Es sollte hier ja schließlich um die SPD und den Mindestlohn gehen. Nicht um die Linkspartei. Dass diese einen Text zur Abstimmung stelle, der wortgleich mit einem Papier der SPD ist, sei kein "Mätzchen". Im Gegenteil: "Sie machen Mätzchen, wenn sie hier ihren eigenen Inhalten nicht zustimmen."

Gysi: Im Bundestag Mehrheit für Mindestlohn

SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner hatte der Linken vorgeworfen, schlicht abgeschrieben zu haben. Das sei wie in der Schule: "Wer abschreibt, bleibt sitzen." Brandner verteidigte den Mindestlohn. Die SPD halte ihn weiter für richtig. "Wer Vollzeit arbeitet, muss von seiner Arbeit auch menschenwürdig leben können", sagte er, wofür er brandenden Applaus bekam - vor allem von der Linken.

Gysi ereiferte sich mit hochrotem Kopf: Es gebe für den Mindestlohn eine Mehrheit im Bundestag. Dass die SPD diese nicht nutze, sei ein "starkes Stück". "Die Koalitionsdisziplin ist ihnen wichtiger, als die Lösung für ein wichtiges Problem."

Über solche Polemiken hinaus hat die Debatte keine neuen Erkenntnisse gebracht. Die SPD will einen echten, flächendeckenden Mindestlohn von 7,50 Euro für alle. Die Linke will das auch, verlangt aber acht Euro. Die Union kann sich verschiedene Modelle vorstellen, damit es künftig keine "Hungerlöhne" (Connemann) in Deutschland mehr geben kann. Nur den Mindestlohn eben nicht. Die Grünen stehen irgendwo zwischen SPD und Union. Nur die FDP ist strikt gegen jede Form von staatlichem Eingriff.

Das knapp halbstündige Scharmützel im Bundestag hat die SPD also unbeschadet überstanden. Aber dafür war die Aktion der Linkspartei wohl doch zu schlicht gestrickt.

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