Die große Koalition nach Stoibers Rücktritt:Risse im Fundament der Macht

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Während die CDU in Berlin hofft, dass sich die Schwesterpartei schnell beruhigt, genießt die SPD den Verfall der öffentlichen Zustimmung für die Union - und macht weiter munter Stimmung.

Von Nico Fried und Jens Schneider

Bis zuletzt hat sich die Spitze der CDU an ihren Vorsatz gehalten, den Machtverfall Edmund Stoibers öffentlich auf keinen Fall zu kommentieren. Dabei haben führende Christdemokraten in Berlin das Geschehen in Bayern mit wachsender Sorge verfolgt.

Denn selbst eine so stark verwurzelte Partei wie die CSU könne, hieß es in CDU-Vorstandskreisen, durch langanhaltende Querelen ihre Position langfristig schwächen. Dabei verdrängten die Christdemokraten gern, wie sehr die Eigenwilligkeiten der Schwesterpartei sie häufig geplagt hatten.

Doch letztlich haben sie ein vitales Interesse an deren Stärke. Ohne die herausragenden Wahlergebnisse in Bayern gäbe es bundesweit kaum noch Chancen auf eine bürgerliche Mehrheit.

Also hofft die CDU in Berlin nun, dass sich die Schwesterpartei schnell beruhigt. Zwar wird aus dem Kabinett und der Fraktionsspitze heraus stets betont, dass die CSU-Krise sich auf das Regieren der großen Koalition in Berlin nicht auswirke.

Doch intern haben sogar Regierungsmitglieder ziemlich genervt beklagt, dass der jetzt scheidende CSU-Chef Stoiber sich schon seit Monaten über die Maßen als Verfechter bayerischer Interessen profiliert und das Regieren damit erschwert habe. Oft sei er fahrig und ohne jene klare Linie aufgetreten, die ihn früher ausgezeichnet habe.

Die Querschüsse der Bayern zur Gesundheitsreform kurz vor Weihnachten seien dafür ein typisches Beispiel gewesen. Erst seit Stoibers Krise zu Jahresbeginn eskalierte und die Partei zu lähmen begann, bemühte sich die CSU in Berlin um einen besonders kooperativen Stil.

Ein CSU-Chef Huber müsste nach Berlin

Die schwierige Gesundheitsreform wurde nicht mehr von Profilierungsversuchen der Partei überlagert; sie hatte ein Interesse, sich als arbeitsfähig zu beweisen.

Das aber sind Momentaufnahmen in der Krise. Für das Machtgefüge in der Koalition ist langfristig weitaus wichtiger, wie die CSU sich bundespolitisch vom Personal her neu sortieren wird.

Sollte tatsächlich Erwin Huber, dem Merkel bei der Bildung der großen Koalition vor gut einem Jahr den Posten als Kanzleramtschef angeboten hatte, Parteichef werden, würde sich schnell auch die Frage nach einem politischen Amt für Huber in der Bundeshauptstadt stellen.

Bisher freilich sind beide Ministerämter der CSU von den politischen Schwergewichten Michael Glos und Horst Seehofer besetzt. Seehofer hegt nun aber wiederum selbst Ambitionen auf den Posten des Parteivorsitzes.

Würde der Verbraucherschutzminister dieses Amt übernehmen, wäre in jedem Fall klar, dass künftig neben Angela Merkel ein zweiter Parteivorsitzender direkt im Kabinett säße.

Derartige Spekulationen treiben nun wiederum die SPD um, die überlegt, ob dann auch Kurt Beck ins Kabinett müsse. Doch der SPD-Chef wird sich nicht in die Berliner Regierung drängen lassen.

Für ihn ist die Position als Parteichef ohne Kabinettsdisziplin die ideale Ausgangslage für den Wahlkampf 2009. Und auch sonst liegt die von parteipolitischem Interesse geleitete Beurteilung der Lage auf der Hand: Aus Sicht der Sozialdemokraten ist die Krise der CSU nicht ausgestanden. Zu sehr hat man zuletzt den Verfall der öffentlichen Zustimmung für die Union genossen.

Deshalb wird nun munter weiter Stimmung gemacht: ,,Wir haben einige unklare Monate vor uns'', argwöhnte Kurt Beck am Donnerstag in Mainz. Mit einem ,,Ministerpräsidenten auf Abruf'' werde das Verhandeln in Berlin nicht einfacher. ,,Das ist eine Hängepartie, die man so in der Politik bisher kaum erlebt hat.'' Niemand wisse, ,,wie es weitergehen wird in der CSU und wer verantwortlich reden wird''.

Beck: Die CSU ist nicht regierungsfähig

So weit, die große Koalition in Berlin in Frage zu stellen, geht freilich niemand bei den Sozialdemokraten. Statt dessen konzentrieren sich jetzt viele Kommentare des Spitzenpersonals auf die Situation in Bayern, wo die sonst von der Bundespartei eher belächelte Freistaats-SPD sich plötzlich ungewohnter Aufmerksamkeit erfreut.

Sowohl Beck (,,Die CSU ist nicht regierungsfähig'') wie auch sein Generalsekretär Hubertus Heil forderten nach Stoibers Rückzugsankündigung Neuwahlen in Bayern. Sogar Vizekanzler Franz Müntefering stimmte mit in den Chor ein: ,,Man kann mit Recht fragen: Muss man die Wähler nicht neu entscheiden lassen angesichts dieses Debakels, das wir derzeit erleben?''

Dass es dazu kommen wird, glaubt niemand in der SPD. ,,Es wird Neuwahlen geben - aber wohl nur innerhalb der CSU'', räumt einer aus der Führung ein. In Wahrheit geht es den Sozialdemokraten darum, sich nach Jahren des Chaos' in den eigenen Reihen noch ein bisschen länger am Elend der Konkurrenz zu delektieren.

© SZ vom 19.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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