Die Anklage:Beihilfe zu tausendfachem Mord

Lesezeit: 2 min

Mit einiger Gewissheit steht fest, dass Mzoudi zum engsten Freundeskreis der Todesflieger vom 11. September 2001 gehörte. Die Bundesanwaltschaft kommt zu dem Ergebnis, dass Mzoudi darüber hinaus ein aggressiv-militanter Islamist war und von Beginn an als Mitglied in die Hamburger Terrorzelle eingebunden war.

Nicolas Richter

(SZ vom 8.8.2003) - Was ist schon dabei, wenn man einem Freund den Beitrag für die Universität zahlt oder die Krankenkasse oder die Fernseh-Gebühr? Der Hamburger Student Abdelghani Mzoudi tat seinem Freund Zakarija Essabar eine Menge solcher Gefallen, als Essabar in der ersten Hälfte des Jahres 2000 verreist war.

Mzoudi zahlte von seinem Konto die AOK-Beiträge für Essabar, damals 96,32 Mark pro Monat. Im März überwies er sogar 298,50 Mark an die Fachhochschule - den Beitrag Essabars für das Sommersemester. Was allerdings den Anschein harmloser Gefälligkeit hat, diente nach Ansicht der Bundesanwaltschaft nur dem Zweck, bei der Vorbereitung der Anschläge vom 11.September 2001 in Amerika zu helfen.

Am Donnerstag nächster Woche muss der Marokkaner Mzoudi deswegen vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg erscheinen. Die Anklage wirft ihm vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein, und zwar in der Hamburger Zelle um Mohammed Atta, und damit Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen geleistet zu haben.

Parallelen zum Motassadeq-Fall

Der Fall weist viele Parallelen zu dem des bereits wegen der gleichen Vorwürfe verurteilten Marokkaners Mounir el Motassadeq auf. Ursprünglich wollte die Bundesanwaltschaft Mzoudi nur wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anklagen. Nach dem Schuldspruch gegen Motassadeq aber - er wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt - wurde die Anklage auf Mitgliedschaft und Beihilfe ausgeweitet.

Mit einiger Gewissheit steht fest, dass Mzoudi zum engsten Freundeskreis der späteren Todesflieger gehörte. Er unterschrieb das Testament Attas, war in dessen Gebetskreis angeblich für die Koran-Auslegung verantwortlich und übernahm von Atta und Marwan al-Shehhi deren Wohnung in der Hamburger Marienstraße 54.

Doch die Bundesanwaltschaft kommt in ihrer Klageschrift (61 Seiten und 31 Seiten Anhang) zu dem Ergebnis, dass Mzoudi darüber hinaus ein aggressiv-militanter Islamist war und von Beginn an als Mitglied in die Hamburger Terrorzelle eingebunden war. Er habe mehrere Beiträge zur Förderung ihrer Ziele geleistet und mit dem Willen gehandelt, die Vorbereitung der Anschläge zu unterstützen.

Der inzwischen 30-jährige Mzoudi war demzufolge dafür verantwortlich, die Anschlagsvorbereitungen und die Auslandsreisen der designierten Kamikazeflieger zu vertuschen. Essabar, der Flugunterricht nehmen sollte, aber mangels Visum nicht in die USA gelangte, war bis August 2000 in Afghanistan. Mit den Überweisungen zu Gunsten Essabars erweckte Mzoudi, so die Anklage, den Anschein, als studiere dieser noch in Hamburg, und stellte damit sicher, dass Nachforschungen unterblieben, die die Anschlagsplanungen hätten gefährden können.

Anklage: Mzoudi hat die Attentäter gedeckt

Auch die Abwesenheiten Attas und Shehhis hat Mzoudi laut Anklage gedeckt, indem er zuließ, dass sie weiter die Adresse Marienstraße 54 angaben, obwohl sie dort längst nicht mehr lebten. Im Frühjahr 2000 soll Mzoudi für Atta und Shehhi ein Zimmer im Studentenwohnheim besorgt haben, damit sie sich vor der Abreise in die USA "möglichst unerkannt und abgeschottet in Hamburg aufhalten konnten".

Mit seinen Freunden teilte Mzoudi nach Überzeugung der Ankläger dieselbe Ideologie. 1996 soll er gesagt haben, er befürworte Anschläge gegen die USA, auch wenn Kinder ums Leben kämen. Bei der Hochzeit des befreundeten Said Bahadschi Ende 1999 soll er zusammen mit dem späteren Terrorpiloten Shehhi Kampflieder gesungen haben, die Einlage wurde auf Video festgehalten. In seiner Wohnung fanden sich später, ebenfalls auf Video, Hetzreden des Extremisten Abu Katada: "Du hast die Aufgabe, die Ungläubigen zu töten und ihre Häuser zu zerstören", hieß es da.

Mzoudi soll Anfang 2000 selbst kurz in Afghanistan gewesen sein, wo er offenbar unter dem Decknamen "Talha" in einem Lager der al-Qaida trainierte. Der Kronzeuge Schadi Abdallah will Mzoudi, Motassadeq und andere dort gesehen haben.

Nach seiner Rückkehr tat Mzoudi, was die übrigen Zellenkollegen auch getan hatten: Er besorgte sich einen neuen Pass, um die Spuren der Reise nach Afghanistan zu vernichten. Zur Begründung sagte er, er habe seinen Ausweis versehentlich gewaschen. Am 16. November 2000 legte er den Pass laut Anklage "in feuchtem Zustand" beim Bezirksamt Hamburg vor.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: