Deutschland und Frankreich:Wiederentdeckung des Milchpreises

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Deutschland und Frankreich suchen etwas angestrengt nach Gemeinsamkeiten. Und finden sie in der Agrarpolitik, die schon ziemlich lange nicht mehr im Fokus stand. In der Flüchtlingspolitik aber gibt es Differenzen.

Von Nico Fried

Ein Schiff wird kommen. Und es wird auch in der Ägäis kreuzen, so wie das Schiff im Schlager von Lale Andersen aus dem Jahre 1960. Allerdings wird es ein Kriegsschiff sein, mit dem Frankreich die Nato-Aktion gegen illegale Migration an der türkisch-griechischen Grenze unterstützen will. Das hat Präsident François Hollande am Freitag beim Besuch von Angela Merkel in Paris angekündigt. Die Kanzlerin, die sich von der Nato-Aktion viel verspricht und in ihrem Ringen um gemeinsame Anstrengungen gegen den Flüchtlingsstrom jede Hilfe brauchen kann, hätte im Elysée-Palast zwei Zeilen aus Andersens Lied anstimmen können: "Ein Schiff wird kommen und meinen Traum erfüllen. Und meine Sehnsucht stillen, die Sehnsucht mancher Nacht." Aber sie beließ es bei der nüchternen Bekundung: "Ich freue mich."

"Ein Schiff wird kommen" - Frankreichs Marine wird in der Flüchtlingskrise aktiv

Das deutsch-französische Verhältnis hat gelitten während der Flüchtlingskrise. Als es noch darum ging, Griechenland und den Euro zu retten, trafen sich Angela Merkel und François Hollande fortwährend. Seit es um den Umgang mit dem Zustrom der Flüchtlinge geht, wirkt es eher so, als ziehe die Kanzlerin den Präsidenten ächzend hinter sich her - so wie die meisten anderen Europäer auch. Zwar hat sich Hollande öffentlich nicht gegen Merkel gestellt. Aber anders als bei der Euro-Rettung und der Ukraine-Krise schien es ihm nicht besonders wichtig zu sein, an vorderster Stelle die Probleme zu bewältigen.

In jener Septembernacht vor gut sechs Monaten, in der Merkel entschied, den Flüchtlingen, die auf einer ungarischen Autobahn gen Westen zogen, die Einreise zu gestatten, war Hollande - abgesehen vom unmittelbar beteiligten österreichischen Kanzler Werner Faymann - der einzige europäische Partner, mit dem sie sich abstimmte. Hollande war also involviert, aber dass er zum enthusiastischen Unterstützer der deutschen Politik geworden wäre, kann man nicht behaupten.

In der Bundesregierung hat man zwar Verständnis für die schwierige innenpolitische Situation Hollandes, der den ausländerfeindlichen Front National gegen sich hat. Zudem sei es nachvollziehbar, dass das Hauptaugenmerk der Franzosen nach den Anschlägen im Januar und November 2015 auf der Bekämpfung des Terrorismus liege. Dennoch wirkte es bemüht, als Hollande in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel sagte, Frankreich und Deutschland arbeiteten "mit dem gleichen Willen und Geist zusammen".

Paris hat sich der Entscheidung in der Europäischen Union, 160 000 Flüchtlinge zu verteilen, nicht entgegengestellt. Hollande bekräftige auch die Zusage, 30 000 Flüchtlinge nach dem EU-Verteilungsschlüssel aufzunehmen. Gleichwohl blickt man in Berlin mit dezentem Befremden auf die Probleme, die Frankreich seit Monaten mit ein paar Tausend Flüchtlingen in Calais hat - so viele, wie auf dem Höhepunkt der Krise an einem Tag nach Deutschland kamen.

Am engsten arbeiten beide bei den Bemühungen um Fortschritte in Syrien zusammen. Merkel und Hollande telefonierten von Paris aus mit Russlands Präsident Wladimir Putin und den Premierministern David Cameron und Matteo Renzi, um die Waffenruhe zu retten. Mindestens genauso wichtig schienen Hollande vor der Presse jedoch die Erzeugerpreise für Milch und Fleisch zu sein, über die man in der EU zu sprechen habe. Als Merkel sagte, das fände sie auch ganz wichtig, sah sie der Präsident fast so schmachtend an, wie es der Matrose in Lale Andersens Lied nach seiner Ankunft wohl mit dem Mädchen in Piräus tat.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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