Deutschland:Rückendeckung aus Berlin

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Warnt vor zu großen Kompromissen: Michael Roth (SPD) ist Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt und Beauftragter für die deutsch-französische Zusammenarbeit. (Foto: Thomas Trutschel/imago images/photothek)

Von SPD und Grünen kommt Lob für Angela Merkels Verhandlungsführung.

Von Cerstin GAmmelin

Gibt es in der großen Koalition Krach um den Stellenwert der Rechtsstaatlichkeit in Europa? Diesen Eindruck wies Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Montag strikt zurück. "Wie die Verhandlungen in Brüssel ausgehen, vermag ich nicht zu beurteilen", sagte Maas der Süddeutschen Zeitung. Es sei immer klar gewesen, "dass es Widerstände dagegen geben wird, die Rechtsstaatlichkeit als eine Voraussetzung für die Auszahlung der Finanzmittel zu definieren", sagte er. Aber zugleich habe "immer außer Zweifel" gestanden, dass die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel diesen Standpunkt vertrete . Die Bild-Zeitung hatte zuvor geschrieben, es gebe in der Frage einen Streit zwischen Außenministerium und Kanzleramt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die als deutsche Ratspräsidentin auf dem Sondergipfel eine moderierende Rolle spielt, hatte das Thema Rechtsstaatlichkeit am Samstagabend bei einem Treffen mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte angesprochen und damit die Debatte darüber auf dem Gipfel eingeleitet. Merkel hatte schon vor Beginn des Gipfels keinen Zweifel darüber gelassen, dass das Interesse der Ratspräsidentschaft in erster Linie darin bestehe, einen tragfähigen Deal auszuarbeiten, dem alle 27 Staaten zustimmen könnten. Damit war klar, dass sie den Gipfel nicht am Thema Rechtsstaatlichkeit würde scheitern lassen.

Merkel war davon ausgegangen, dass es keine Chance für den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission gegeben hätte, wonach die von ihr vorgeschlagene Kürzung der Mittel bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit nur mit einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder gestoppt werden könnte. Ratspräsident Charles Michel wirbt nun dafür, dass zwei Drittel der Regierungen explizit für die Kürzung stimmen müssen. Das gilt als ausgeschlossen, weil sich Ungarns Premier Victor Orbán wegen des Einstimmigkeitsprinzips leicht rächen könnte. EU-Diplomaten zufolge hat sich Orbán im Laufe des Gipfels immer wieder gegen den Vorschlag gestellt.

Europastaatsminister Michael Roth (SPD) warnte vor zu großen Kompromissen. In Sachen Rechtsstaatlichkeit würden die Unterhändler "von einer überwältigenden Mehrheit im Rat und Europäischen Parlament, aber auch in unserer Öffentlichkeit unterstützt", sagte er der SZ. Er "hoffe weiterhin auf eine vernünftige Lösung, die die Europäische Union als Werte- und Rechtsgemeinschaft stärkt".

Die Europaexpertin der Grünen, Franziska Brantner, lobte das Auftreten der Kanzlerin auf dem Sondergipfel. Merkel versuche "jetzt wirklich viel", sagte sie. Zugleich zeigten sich "die Versäumnisse der letzten Jahre, als die Kanzlerin den europapolitischen Stillstand personifizierte". Auch die unklare Haltung von CSU und CDU gegenüber Orbán räche sich. "Das ist jetzt schwer aufzuholen." Die CSU hatte immer wieder den Schulterschluss mit Ungarns Premier gesucht. Die CDU weigerte sich, ihn aus der gemeinsamen Parteienfamilie auszuschließen. "Es wäre Europa, Deutschland und auch Merkel zu wünschen, dass die Kanzlerin diese Ratspräsidentschaft zum Erfolg führt", sagte Brantner. Ob sie aber mehr bewerkstelligen könne als akutes Krisenmanagement, daran dürfe man zweifeln.

© SZ vom 21.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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