Deutsche Irak-Geiseln:Lebenszeichen aus dem Nichts

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Die deutschen Behörden bekommen immer wieder Informationen über die Irak-Geiseln - die beiden Entführten sind demzufolge noch am Leben.

Annette Ramelsberger

Seit fast sechs Wochen sind die beiden deutschen Ingenieure René Bräunlich und Thomas Nitzschke im Irak verschleppt - und außer drei Videos, auf denen die Entführten um Hilfe bitten, hat man nichts von ihnen gehört.

Zwei Teilnehmer einer Mahnwache an der Leipziger Nikolaikirche für die beiden entführten Ingenieure. (Foto: Foto: ap)

Immer noch erklärt das Auswärtige Amt, es gebe keinerlei neuen Stand. Fast scheint es so zu sein, als seien die zwei jungen Männer vom Erdboden verschluckt.

Um den Druck auf die Angehörigen zu mildern, hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Familien am vergangenen Sonntag ins Auswärtige Amt eingeladen. Er machte ihnen Mut.

Und er tat das auf einer Erkenntnisbasis, die schon etwas breiter ist als das, was der Krisenstab nach außen dringen lässt. Denn im Gegensatz zu ihren öffentlichen Äußerungen bekommen die deutschen Sicherheitsbehörden doch immer wieder Informationen über die Entführten - und die lassen sie mit großer Sicherheit davon sprechen, dass die beiden Geiseln noch am Leben sind.

"Es gibt keinerlei Grund, daran zu zweifeln, dass sie noch am Leben sind", sagte ein hoher Sicherheitsexperte der Süddeutschen Zeitung. Ein anderer sagt, er sehe keinen Anlass zu Pessimismus.

"Bleiben Sie dran, der Minister will sie sprechen"

Die Informationen über die Geiseln kommen über drei Ecken, nie laufen die Gespräche mit den Entführern direkt. Aber es gibt Kommunikationsstränge, über die zumindest Informations-Schnipsel hin und her gelangen. Der Wunsch der Deutschen nach einem aktuellen Lebenszeichen der Geiseln wurde in diese Kanäle eingespeist.

In den Antworten, die bislang zurückkamen, fanden sich Hinweise, aber keine handfesten Beweise. Immer wieder brechen die Verbindungskanäle auch zusammen - kein Wunder angesichts der bürgerkriegsähnlichen Zustände im Irak mit Ausgangssperren und Überfällen. Gerade am Mittwoch wurden wieder Dutzende Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma von Uniformierten im Irak entführt.

Inzwischen übt der deutsche Außenminister Seelenmassage. Am Sonntag läutete bei Pfarrer Christian Führer von der Nikolaikirche in Leipzig das Telefon. Er saß gerade mit Freunden bei Kaffee und Kuchen, als sich das Auswärtige Amt in Berlin meldete.

"Bleiben Sie dran, der Minister will Sie sprechen", sagte die freundliche Dame. Pfarrer Führer atmete tief durch. "Einen Moment lang hatte ich die irre Hoffnung, es könnte die erlösende Nachricht kommen", erzählt er. "Und gleichzeitig hatte ich die schreckliche Angst, was der Anruf auch bedeuten könnte."

"Ich bleibe hier bei der Mahnwache"

Steinmeiers Anruf war als Dank gemeint für die Mahnwachen und Gebete der Menschen in Leipzig. Auch für ihre Geduld, ohne Nachricht auszuharren. Karin Berndt zum Beispiel zieht es jeden Montag und Donnerstag zur Nikolaikirche.

Die Prokuristin der Firma Cryotec, welche die beiden Ingenieure in den Irak schickte, erlebt hier ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie wärmt und das sie nicht vermutet hat. Vergangenen Montag erzählte ihr ein Arbeitsloser, er gehe jetzt nicht mehr zur gleichzeitig stattfindenden Demo gegen Hartz IV.

"Ich bleibe hier bei der Mahnwache", sagte er. So schlecht gehe es ihm gar nicht im Vergleich zu den Geiseln. Pfarrer Führer übrigens hat den Außenminister am Telefon sofort dienstverpflichtet: Er müsse zum Dankgottesdienst nach Leipzig kommen, wenn die Geiseln endlich frei seien. Steinmeier sagte zu.

© SZ vom 09.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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