Deutsche in Afghanistan:In höchster Gefahr

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Deutsche Soldaten und Helfer befinden sich in Afghanistan im Visier des Terrors. Zur unsicheren Lage in Afghanistan trägt auch der schleppende Aufbau des Polizeisystems bei.

Annette Ramelsberger

Die Deutschen in Afghanistan sind mittlerweile genauso stark gefährdet, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden wie Briten oder US-Amerikaner. Die Deutschen seien ins "unmittelbare Zielspektrum" islamistischer Terroristen gerückt, heißt es in einer Lageanalyse deutscher Sicherheitsbehörden.

Deutsche Hilfe beim Polizeiaufbau in Afghanistan: Ein Beamter des deutschen Polizeikontingentes in der Polizeischule in Kabul. Der Aufbau des Polizeisystems geht nur schleppend voran. (Foto: Foto: dpa)

Zudem sei in Afghanistan mit einer Zunahme der Geiselnahmen zu rechnen. Rücksicht auf die Motive der Menschen, die sich in dem Land aufhalten, sei dabei nicht zu erwarten. Die Bundesregierung rät deshalb insbesondere Mitgliedern von Hilfsorganisationen zu besonderer Vorsicht.

Zur unsicheren Lage in Afghanistan trägt auch der sehr schleppende Aufbau des Polizei- und Justizsystems bei. Für die Justiz waren bis zum Sommer die Italiener zuständig, ihre Arbeit wird als "notleidend" bezeichnet. Aber auch um die von den Deutschen verantwortete Polizeiarbeit steht es schlecht. Die Deutschen schulen den höheren Dienst der afghanischen Polizei nach allen Regeln mitteleuropäischer Kunst - doch damit erreichen sie nur einen kleinen Prozentsatz der afghanischen Polizei.

Amerikaner schulen die meisten Polizisten

Die Schulung der mit Abstand meisten Polizisten haben unterdessen längst die Amerikaner übernommen. Sie stecken 1,5 Milliarden Dollar im Jahr in die Polizeiausbildung, die Deutschen ließen sich ihr Engagement jeweils zwölf Millionen Euro im Jahr kosten. Seit dem Juni 2007 ist die deutsche Aufbauhilfe in ein europäisches Projekt übergegangen: "Eupol" soll nun leisten, was die Deutschen allein nicht geschafft haben. Doch auch hier zeigen sich massive Probleme.

Die Polizisten aus ganz Europa, die dort arbeiten sollen, sitzen derzeit noch tatenlos in ihren Botschaften. Ihnen fehlen die Wagen, mit denen sie sich fortbewegen können. Die EU hat nicht rechtzeitig für geschützte Fahrzeuge gesorgt. Nun springen die Deutschen mit zehn Wagen ein - sonst könnte Eupol überhaupt nichts tun. "Eupol kommt nicht schnell genug voran", heißt die diplomatische Formel für das Desaster.

Terror und Korruption

Im Gegenzug aber werden die Terrorattacken gezielter und ausgeklügelter. Die Islamisten in Afghanistan setzen immer mehr auf Selbstmordattentäter nach dem Vorbild des Irak. Auch die Sprengfallen werden raffinierter, heißt es. Die Terrororganisation al-Qaida ist erstarkt und kann nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden wieder weltweit zuschlagen. Mittlerweile ist Afghanistan nach dem Irak das gefährlichste Land der Erde. Neben dem Terror machen vor allem die Korruption im Sicherheitsapparat und die Abwerbung ausgebildeter Polizisten durch private Organisationen oder gar die Taliban den Helfern zu schaffen.

© SZ vom 2.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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