Deutsch-russische Vorurteile:"Die Rüpel kommen"

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Die Bedeutung des Krieges ist für die deutsch-russischen Beziehungen kaum zu überschätzen. In der Ausstellung ist eine Broschüre aus dem Jahr 1813 zu sehen: "Über die russischen Soldaten und wie man es anzufangen hat, dass man gut mit ihnen auskommt." Das Heft wurde in Leipzig gedruckt, da dort nach der Völkerschlacht viele russische Soldaten in der Stadt waren. Zudem mussten Tausende Deutsche als Soldaten mit Napoleon in einen Krieg ziehen, den nur wenige überlebten.

Deutsch-russische Vorurteile: Ein Spiegel-Cover aus dem vergangenen März greift auf alte Motive zurück.

Ein Spiegel-Cover aus dem vergangenen März greift auf alte Motive zurück.

(Foto: Foto: Katalog)

Die reaktionären Herrschaftsverhältnisse wurden vor allem von deutschen Studenten und Intellektuellen kritisiert. Den Russen unterstellte man "Faulheit, Verstellung, Heimtücke, Verschwendung, Sinnlichkeit und Schmutz" - es entstand eine Gegenwelt zum Idealbild des Deutschen. Zwar brachen Forscher wie Alexander von Humboldt und Schriftsteller in den Osten auf und berichteten von der Weite des Raumes und der Natur, doch die meisten vermieden klare Stellungnahmen.

Diese von Furcht und Abwehr geprägte Sicht Russlands blieb lange bestehen. In der Bismarckzeit domininierte das deutschnationale Denken, wonach Russen und Slawen keine gleichwertigen Nationen seien. Die Russen seien "Asiaten" und hätten mit der europäischen Kultur nichts zu tun. Zugleich fanden die Romane von Tolstoi und Dostojewski in Deutschland begeisterte Leser - nicht nur Thomas Mann schwärmte von der "russischen Seele".

Die Einschätzung des Historikers Hans Hecker, der deutsche Blick auf Russland sei stets zwiespältig gewesen, wird vor allem im 20. Jahrhundert deutlich. Im Ersten Weltkrieg hatten Tausende Deutsche erstmals Kontakt mit Russland und berichteten von der Landschaft, den Menschen und deren widrigen Lebensumständen.

Geteilte Meinung

Nach der Oktoberrevolution 1917 und dem Sieg der Bolschewiki teilte sich die Meinung: Das Bürgertum warnte vor dem Sozialismus, während Arbeiter ihre Solidarität mit den Kommunisten erklärten. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verknüpfte die Propaganda die bestehenden Feindbilder mit dem Antisemitismus - Plakate warnten vor dem "jüdischen Bolschewismus".

Spannend ist die Zeit nach 1945: In der Bundesrepublik wurde lediglich die Judenfeindlichkeit entfernt, ansonsten blieben in Zeiten des Kalten Krieges die Feindbilder und Stereotpyen erhalten. Verbreitet war ein folkloristisches Russland-Bild, in dem Kosakenchöre singen und Wodka getrunken wird.

Klischees auch in der Musik

Dies wird an den Hörstationen deutlich, wo neben Udo Lindenberg auch Dschinghis Khan und Boney M. über die gleichen Motive trällern. Schon 1934 trällerten die Comedian Harmonists: "Wenn die Sonja russisch tanzt/fühlt man ihre Glut/ Wolga, Wodka, Kaukasus/liegen ihr im Blut. Sogar der Wladimir/ist ganz verrückt nach ihr/ Er lässt den Wodka stehn/nur um sie anzusehn."

In der DDR war das Bild aus ideologischen Gründen anders. Die Devise lautete: "Vom Sowjetmenschen lernen, heißt siegen lernen" und wurde in unzähligen Wandzeitungen, Denkmälern und Plakaten wiedergegeben. 50 Jahre lang waren Soldaten der Roten Armee in Ostdeutschland stationiert, Russisch war verpflichtende Fremdsprache. Viele DDR-Bürger konnten sich selbst ein eigenes Bild machen - es fiel differenzierter aus als das offizielle Freundschaftsgejubel, aber fast alle machten gute Erfahrungen.

Gorbatschows Reformpolitik von Glasnost und Perestroika wurde in der DDR-Bevölkerung unterstützt - man erhoffte sich eine Lockerung des Honecker-Mielke-Regimes. Als "Gorbi" die deutsche Wiedervereinigung unterstützte, schossen die Sympathiewerte im ganzen Land in die Höhe.

Gerade im Vorfeld der russischen Präsidentschaftswahl am 2. März 2008 hätte man sich in der Ausstellung noch mehr aktuelle Exponate und Interpretationen gewünscht. Dem schon erwähnten Spiegel-Cover werden auch Flyer der vielen Veranstaltungen à la "Russendisko" oder "Datscha-Dub" präsentiert - hier hat das moderne Russland ein recht gutes Image.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die Russen an Deutschland und den Deutschen schätzen.

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