Der Fall Khaled el-Masri:Gegenseitige Vorwürfe

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Nach der Einweisung des CIA-Opfers in die Psychiatrie melden sich seine Psychologin und sein Anwalt zu Wort. Anwalt Gjindic sagte, die Therapie sei nicht ausreichend gewesen. Die Psychologin fühlt sich schlecht informiert.

Nicolas Richter

Einen Tag nach der Einweisung des Entführungsopfers Khaled el-Masri in die Psychiatrie haben sich seine Vertrauten gegenseitig Vorwürfe gemacht. Umstritten ist die öffentliche Rolle Masris in den vergangenen Jahren, aber auch der Umgang mit ihm in den vergangenen Wochen. Masris Psychologin Gerlinde Dötsch sagte: "Es wäre sinnvoll gewesen, wenn mir Rechtsanwalt Manfred Gnjidic mitgeteilt hätte, dass sich Masris Zustand verschlechtert."

Als ein Streit Masris mit dem Großmarkt Metro im April eskalierte, hatte Gnjidic an das Kanzleramt geschrieben und eine bessere Therapie angemahnt, Dötsch aber nicht gewarnt. Sie hat Masri seit mehr als drei Wochen nicht gesehen. Am Donnerstag hatte Masri versucht, den Neu-Ulmer Metro-Markt anzuzünden. Ein Richter wies ihn in die Psychiatrie ein, wo seine Schuldfähigkeit geprüft wird.

Gnjidic hatte dem Kanzleramt am 26.April geschrieben, dass Masri außer Kontrolle geraten könne und dass eine "qualifizierte, medizinische Psychotherapie" bis heute nicht erfolge. Das Ulmer Behandlungszentrum für Folteropfer wies diese Darstellung zurück. Masri habe seit Anfang 2006 genau 37 Termine wahrgenommen, zumeist Doppelstunden, sagte die Psychologin Dötsch, die auch therapeutische Leiterin des Zentrums ist.

Schreiben ans Kanzleramt

Dies sei eine sehr hohe Frequenz, und die Kosten seien von der Krankenkasse ohne weiteres übernommen worden. Gnjidic hingegen betonte, Dötsch habe mehrmals beklagt, dass Masri eine intensivere Betreuung benötige und das Geld dafür "hinten und vorne nicht reicht". Deswegen habe er im April keinen anderen Weg mehr gesehen, als das Kanzleramt um Hilfe zu bitten.

Schon vor Monaten war es zwischen dem Anwalt und der Psychologin zu Differenzen über den richtigen Umgang mit Masri gekommen. Nachdem dieser Anfang des Jahres einen Ausbilder verprügelt hatte, berieten sich Gnjidic und Dötsch zusammen mit Masri am 5. Februar. Dötsch plädierte nach eigenen Angaben dafür, dass Masri sich aus der Öffentlichkeit zurückziehe, damit die Therapie inhaltlich intensiviert werden könne.

Die Aufarbeitung seiner Erlebnisse als Gefangener der CIA sei nicht möglich, solange Masri in Parlamentsausschüssen und in den Medien auftrete. Bisher habe sich die Therapie deswegen nur darauf konzentriert, den Alltag zu meistern und das für Opfer mit einer posttraumatischen Belastungsstörung typische "hohe Erregungsniveau" Masris zu senken.

Gnjidic aber wandte nach eigenen Worten ein, dass Masri nicht aus der Öffentlichkeit verschwinden könne, weil sein Kampf um Gerechtigkeit sonst in Vergessenheit gerate. Masri soll zu seiner Psychologin gesagt haben, dass es ihm wichtig sei, seine Geschichte überall erzählen zu können. Seit Anfang des Jahres hat die Intensität der Berichterstattung über den Fall allerdings stark abgenommen.

Ungeklärte Finanzierung der Therapie

Dötsch sah in den öffentlichen Auftritten ihres Patienten ein Problem, "weil Masri die traumatisierende Zeit stets aufs Neue durchlebt, aber ohne unmittelbare psychologische Begleitung". Gnjidic wiederum beharrt darauf, dass die Psychologin als eigentliches Problem fehlendes Geld ausgemacht habe. "Ein Richter hat Masri gerade in die Psychiatrie eingewiesen, da ist es ja paradox zu sagen, die Therapie habe den Bedürfnissen genügt", sagte Gnjidic.

In den vergangenen drei Wochen hat Masri seine Psychologin nicht gesehen, weil die weitere Finanzierung der Therapie zunächst ungeklärt war. Zwischen Gnjidic und dem Zentrum für Folteropfer ist auch umstritten, warum Masris Therapie erst Anfang 2006 begann, obwohl er das Zentrum schon Mitte 2004 erstmals besucht hatte.

Der Anwalt deutete an, dass Masris Umfeld womöglich überfordert war. Er beklagte am Freitag erneut die Passivität der Bundesregierung. "Man muss (den früheren Bundesinnenminister) Otto Schily fragen, warum er seit Mai 2004 nichts unternommen hat. Da sehe ich eine unterlassene Hilfeleistung."

© SZ vom 19. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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