Daten gestohlen:Anklage wegen Hackerangriff

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Der 22-jährige Angeklagte soll sich im Internet „G0d“ und „Orbit“ genannt haben. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Erst wurden Geheimdienste verdächtigt, jetzt soll ein 22-Jähriger vor Gericht. Er soll persönliche Daten von Politikern, Journalisten und Prominenten veröffentlicht haben.

Von Max Muth, München

Im Januar 2019 schreckte ein mutmaßlicher Hackerangriff Deutschland auf. Ein Unbekannter hatte im Netz zahlreiche persönliche Daten von Politikern, Journalisten und Prominenten veröffentlicht. Jetzt hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Anklage gegen einen 22-jährigen Mann erhoben. Ihm wird "das Ausspähen und die unberechtigte Veröffentlichung" privater Daten vorgeworfen. Er soll zudem mit den gestohlenen Daten erfolglos versucht haben, mindestens sechs Bundestagsabgeordnete um insgesamt 900 Euro in Bitcoin zu erpressen.

Die Daten soll der Mann, der zu dem Zeitpunkt noch Schüler war und bei seinen Eltern wohnte, seit 2015 gesammelt haben. Meist verschaffte er sich über die Passwort-zurücksetzen-Funktion Zugang zu den E-Mail-Postfächern oder Social-Media-Profilen der Opfer, dann kopierte er Bilder, Nachrichten und Telefonnummern. Weitere bereits vorher gehackte Daten erwarb der Schüler von der mittlerweile gesperrten US-Webseite "weleakinfo.com".

Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz wurde Anfang Januar 2019 darauf aufmerksam gemacht, dass seine Daten offen im Netz zu finden seien. Im Verlauf der Ermittlungen stellte sich heraus, dass ein Hacker bereits vom 1. bis 24. Dezember in einem so von ihm betitelten "Adventskalender" private Daten von Prominenten wie den Youtubern LeFloid und Simon Unge, dem Schauspieler Til Schweiger und Politikern wie Schulz und Robert Habeck (Grüne) auf Twitter veröffentlicht hatte. Wegen der vielen betroffenen Politiker wurde zunächst über die Beteiligung ausländischer Geheimdienste spekuliert.

Dem 22-Jährigen mit den Pseudonymen "G0d" und "Orbit" werden neben dem Datenklau noch weitere Vergehen zur Last gelegt. So soll er den Ermittlungen zufolge drei Mal Amokläufe und Bombenanschläge vorgetäuscht haben, zwei Mal soll er andere Personen bei der Polizei fälschlicherweise beschuldigt haben. Die Taten sind typisch für ein Milieu im Netz, das sich selbst als Doxxing-Szene (von docs - private Daten) bezeichnet. "Man kann die Taten alle in dem Zusammenhang sehen, dass da Aufmerksamkeit für die eigene Person erzeugt wird", sagt die bei der Zentralstelle für Internetkriminalität (ZIT) zuständige Pressesprecherin Julia Bussweiler. Der Staatsanwaltschaft zufolge findet die Verhandlung vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Alsfeld statt. Der Angeklagte war bei einigen der ihm zu Last gelegten Taten noch Jugendlicher oder Heranwachsender. Ob er nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, entscheidet der Richter.

© SZ vom 27.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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