Das Ende von Saddams Regime:Der lange Fall nach dem Sturz

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Vor fünf Jahren fiel das Regime von Saddam Hussein. Für eine Weile sah es so aus, als könnten die USA den Irak stabilisieren - doch tatsächlich ist die Zukunft des Landes völlig offen. Es droht ein Kampf unter den Schiiten. Und der Einfluss Irans wird immer stärker.

Tomas Avenarius

Die Vorstellung war abenteuerlich: Eine Million Menschen wollte der radikale Schiiten-Führer Muktada al-Sadr an diesem Mittwoch im Irak auf die Straße bringen. Offiziell sollte es ein Protestmarsch sein gegen die amerikanischen Besatzer: Der fünfte Jahrestag des Sturzes von Saddam Hussein und seinem Regime bot den geeigneten Anlass.

Bild mit Symbolkraft: Am 9. April 2003 wurde in Bagdad eine Statue Saddam Husseins zu Fall gebracht. (Foto: Foto: Reuters)

Tatsächlich plante Sadr den Marsch aber als doppelte Machtdemonstration: gegen die Amerikaner und gegen die von anderen Schiiten dominierte Regierung des Irak. Am Ende jedoch musste er den Marsch absagen.

Das hat wieder gezeigt, dass der 35-jährige Kleriker entweder ein gewiefter Taktiker ist - oder eben nicht der starke Mann, der er gern sein möchte. Erst hat Iraks Regierungschef Nuri al-Maliki die Armee gegen Sadrs Miliz in Marsch gesetzt und dabei massive Unterstützung der US-Truppen erhalten.

Erfolgreich war Malikis Militäraktion in Basra und Bagdad zwar nicht, aber der Regierungschef legt nach. Er schmiedet ein Bündnis gegen Sadr mit anderen Schiiten, den Kurden und den oppositionellen Sunniten. Sadr, beim Kampf um Basra militärisch erfolgreich, ist politisch isoliert.

Drastische Veränderung

Fünf Jahre nach dem Sturz des Saddam-Regimes - am 9. April stießen irakische Bürger gemeinsam mit US-Soldaten in Bagdad die Saddam-Statue am Ferdusi-Platz vom Sockel - ist die Zukunft des Irak weiterhin offen. Für eine Weile hatte es so ausgesehen, als gelänge es den USA doch noch, den Irak zu stabilisieren.

Die im Sommer 2007 begonnene US-Offensive "Surge" und die Zusammenarbeit mit den neu gebildeten Milizen der Sunniten hatten die Lage verändert. Die Untergrundkämpfer und Autobomber von al-Qaida gerieten ins Hintertreffen, die Sicherheitslage in der Hauptstadt und den umliegenden sunnitischen Provinzen begann sich zu stabilisieren, die Zahl der amerikanischen Verluste sank deutlich.

In den vergangenen zwei Wochen aber hat sich das Bild drastisch verändert: Iraks Premier - und mit ihm die US-Militärführung - sucht den offenen Konflikt mit dem Kleriker Sadr. Und der hat angedroht, die ohnehin immer wieder gebrochene Waffenruhe für seine Milizen ganz aufzuheben.

Wenn Sadr seine viele Zehntausend Mann starke Mahdi-Armee nicht auflöse, werde er vom politischen Prozess ausgeschlossen, erklärte Maliki. Kein politischer Führer im Irak dürfe sich eine Miliz halten. Weshalb der Premier ein entsprechendes Gesetz durchs Parlament bringen will. Selbst die oppositionellen Sunniten unterstützen den ungeliebten Maliki. Und Sadr ist mit 30 Abgeordneten im Parlament nur schwach vertreten.

Unverkennbar meinen es Maliki, die übrigen Schiitengruppen und die Amerikaner ernst: Sie wollen den Populisten Sadr, seine Partei und seine Miliz vor den Regionalwahlen im Herbst entscheidend schwächen. Maliki war zwar vor zwei Jahren nur mit Sadrs Hilfe an die Macht gekommen.

Konflikt zwischen Schiiten-Gruppen

Inzwischen setzen er und seine Dawa-Partei aber auf die Unterstützung einer anderen schiitischen Organisation: Der hohe Islamische Rat des Irak ist der attraktivere Partner für den Premier und für die Amerikaner.

Und deshalb ist der Konflikt zwischen Maliki und Sadr weit mehr als eine weitere Episode im innerirakischen Politgezerre. Im schlimmsten Fall könnte er zu Gewalt unter Iraks Schiiten führen. Bewaffnete Konflikte innerhalb der größten Bevölkerungsgruppe aber wären nach Ansicht der Experten der "International Crisis Group" weit gefährlicher als alle bisherigen Kämpfe zwischen Schiiten und Kurden auf der einen und Sunniten auf der anderen Seite.

Denn die Rivalität zwischen der Sadr-Partei und den Schiiten des Islamischen Rats sowie Malikis Dawa spiegele neben einem politischen auch den Klassengegensatz wieder. Sadrs Anhänger finden sich vor allem in der Unterklasse, Dawa und der Islamische Rat stehen für den Mittelstand.

Die Experten der "Crisis-Group" sagen voraus: "Dieser Konflikt dürfte die Zukunft des Landes stärker bestimmen als der Kampf zwischen den Religionsgruppen oder der Kampf gegen al-Qaida."

So bleibt fünf Jahre nach dem Fall der Saddam-Statue im Irak alles offen. Nur eines scheint sicher zu sein: Der große Gewinner der Auseinandersetzungen ist bislang Iran. Der schiitische Nachbarstaat ist ein Machtfaktor ersten Ranges geworden im Irak.

Verbindungen zu Iran

Denn die iranischen Geheimdienste und die paramilitärischen "Pasdaran-Revolutionswächter" nehmen nicht nur Einfluss auf schiitische Untergrundgruppen. Sie haben auch ein enges Verhältnis zu allen Schiitenparteien. Sadrs Gegner vom Hohen Islamischen Rat lebten während der Diktatur Saddam Husseins im Teheraner Exil.

Sie kämpften während des iranisch-irakischen Kriegs in den achtziger Jahren an der Seite der Perser gegen die eigenen Landsleute. Die Badr-Miliz, der bewaffnete Arm des Islamischen Rats, wurde von den Pasdaran finanziert, ausgebildet und kommandiert.

Weil die Iraker - vor allem die Anhänger von Muktada al-Sadr - nicht vergessen haben, dass der Islamische Rat ein iranisches Instrument im Krieg gegen den Irak war, versuchen die Führer des Rats sich inzwischen davon zu distanzieren. Zumindest offiziell wollen sie eine eigene, irakische Politik betreiben.

Aber auch Muktada al-Sadr und seine Mahdi-Armee haben Verbindungen zu den Iranern. Die USA erklären, dass die Mahdi-Armee über neue iranische Waffen und Sprengsätze verfüge und die Pasdaran Kämpfer der Mahdi-Armee in Iran ausbilden. Dies ist schwer zu belegen.

Klar ist, dass Sadr sich oft in Iran aufhält. Eindeutig war auch, dass der jüngste Waffenstillstand zwischen Sadr und der irakischen Regierung von iranischen Politikern vermittelt wurde. Sadrs Leute und eine angereiste Delegation aus Irak einigten sich bei Gesprächen - in Iran.

© SZ vom 9.4.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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