Dänemark: Schengen-Streit:Opposition will Grenzen offenhalten

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Dänemark wollte dichtmachen: An den Grenzen zu Deutschland und Schweden sollten wieder permanente Kontrollen eingeführt werden. Doch nun ziehen die Oppositionsparteien ihre Zustimmung zurück - und im Parlament hängt die Entscheidung an einem Abgeordneten.

Die Proteste gegen die geplanten dänischen Grenzkontrollen zeigen Wirkung: In letzter Sekunde haben die Oppositionsparteien ihre bisherige Zustimmung zurückgezogen. Der Finanzausschuss im dänischen Parlament sollte an diesem Freitag über die Finanzierung der umstrittenen neuen Kontrollen an den Grenzen nach Deutschland und Schweden abstimmen. Bislang galt die Bewilligung der dafür notwendigen 50 Millionen Kronen (6,7 Millionen Euro) als reine Formalität.

Schranke zu? Die dänischen Rechtspopulisten wollen an den Grenzen permanente Kontrollen wieder einführen, in letzter Sekunde haben die Oppositionsparteien ihre Zustimmung zu den nötigen Geldern verweiget. Damit stehen die Pläne auf der Kippe. (Foto: dpa)

Doch nun wollen die Oppositionsparteien eine Entscheidung im Parlamentsplenum erzwingen, wo die Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen nicht mehr über eine sichere Stimmenmehrheit verfügt. Carina Christensen, Fraktionschefin der mitregierenden Konservativen, sagte zum veränderten Stimmverhalten der Opposition: "Das ist absolut platt und nur, um uns zu ärgern." Im Plenum könnte eine Entscheidung nicht vor dem 1. Juli fallen.

Die dänische Regierung hatte im Mai beschlossen, neue, permanente Kontrollen an Dänemarks Grenzen zu Deutschland und Schweden einzuführen, um illegale Einwanderung und organisierte Kriminalität einzudämmen. Dabei gehe es jedoch nicht um Passkontrollen, sondern um verschärfte Zollkontrollen, hieß es. Initiator für die Pläne waren die Rechtspopulisten von der Dänischen Volkspartei (Dansk Folkeparti, DF), die seit knapp zehn Jahren als Mehrheitsbeschaffer für die dänische Mitterechtsregierung fungieren.

Dänemarks Regierung will zusätzliche 100 Zollbeamte an Grenzübergängen stationieren, neue technische Kontrolleinrichtungen installieren und auch neue Kontrollgebäude bauen lassen. Begründet wird der Schritt mit "zunehmender grenzüberschreitender Kriminalität" vor allem durch Osteuropäer. Zwar ist der Vorstoß vor allem symbolischer Natur. In Europa wurde er aber genau so aufgenommen, wie es die Rechtspopulisten der DF beabsichtigt hatten: als Angriff auf die Freizügigkeit.

Der sozialdemokratische Oppositionssprecher Morten Bødskov erklärte im Rundfunk die veränderte Haltung seiner Partei auch mit den internationalen Protesten: Es sei "sehr ernst", wenn die geplanten Kontrollen beim großen Nachbarn Dänemarks im Süden auf so geballte Ablehnung stoßen. Sowohl die Sozialdemokraten wie die den europäischen Grünen nahestehenden Volkssozialisten haben unter anderem wegen der internationalen Proteste in letzter Minute ihre ursprüngliche Zustimmung zu den Regierungsplänen zurückgezogen.

Die Sozialdemokraten wollen jetzt mit drei weiteren Parteien im Parlamentsplenum einen veränderten Plan mit mehr Geld für den Zoll, aber ohne neue Kontrollen an der Grenze nach Deutschland sowie Schweden durchsetzen. Ob Rasmussens Minderheitsregierung zusammen mit der rechtspopulistischen DF ihren ursprünglichen Plan doch noch durchsetzen kann, hängt nun von dem fraktionslosen Abgeordneten Per Ørum Jørgensen ab. Dieser wollte sich am Freitag zunächst nicht festlegen.

"Putzige Worte von einem deutschen Botschafter"

Auf scharfe Kritik waren die dänischen Grenzkontroll-Pläne unter anderem bei der EU-Kommission gestoßen. Sie drohte dem Land mit einem Vertragsverletzungsverfahren. In einem Schreiben an die Regierung in Kopenhagen bezweifelte die Brüsseler Behörde, ob das Vorhaben einhergehe mit dem Schengen-Abkommen sowie den europäischen Binnenmarktregeln hinsichtlich des freien Verkehrs von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Menschen. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström (Schweden) kündigte an, die Kommission verfolge "sehr genau", wie die Pläne umgesetzt würden.

Auch der Ton zwischen Deutschland und Dänemark im Streit um die geplanten Grenzkontrollen hatte sich zuvor verschärft. Dänische Medien berichteten von einer "diplomatischen Krise". Der deutsche Botschafter Christoph Jessen warf der dänischen Regierung vor, sie argumentiere mit irreführenden Behauptungen. DF-Chefin Pia Kjærsgaard machte sich in der Zeitung Politiken über dessen Kritik lustig: "Putzige Worte von einem deutschen Botschafter, dessen Land in seiner Geschichte gefühlsbetonten Nationalismus mit traurigen Konsequenzen geboten hat", sagte die Rechtspopulistin.

Dänemark ist Mitglied des Schengen-Raums. Dies verbietet "systematische" Grenzkontrollen. Nur Stichproben sind zulässig. Zudem sind befristete Kontrollen in Ausnahmesituationen möglich, etwa bei Großereignissen wie Fußballweltmeisterschaften. Die EU-Kommission arbeitet zurzeit an Vorschlägen für eine Reform des Schengenvertrages. Nach der Flüchtlingswelle aus Nordafraka hatten sich die Staaten bereits im Grundsatz darauf geeinigt, dass kurzfristige Kontrollen in Ausnahmefällen bei "starkem Migrationsdruck" möglich sein sollten".

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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