CSU und Bundesregierung:Problemminister Glos - Früchte des Zorns

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Wirtschaftsminister Glos grollt offen gegen Kanzlerin Merkel, die sich auf seine Kosten profiliert - eine Gefahr für die gesamte Union.

B. Kruse und P. Wrobel

In der virtuellen Welt des Michael Glos scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Auf der Homepage des gegenwärtigen Bundesministers für Wirtschaft und Technologie findet sich im unter "Politik aktuell/Texte" an vorderster Stelle das große Sommerinterview des CSU-Politikers mit der Main Post aus dem heimatlichen Unterfranken vom 28. August. Und der jüngste Eintrag unter "Portrait/Im Bild der Medien" stammt sogar vom 1. Dezember 2006.

Gespanntes Verhältnis: Kanzlerin Angela Merkel und ihr Wirtschaftsminister Michael Glos. (Foto: Foto: AFP)

Damit nicht genug: Direkt von der Startseite führt ein Link zum CSU-Steuerkonzept "Mehr Netto für alle", das der ehemalige Parteichef Erwin Huber im Mai auf dem Polit-Markt geworfen hat und ein Ladenhüter ist.

Die bayerischen Bürger kauften den Christsozialen die schönen Versprechungen bei der Landtagswahl nicht ab. Die verantwortlichen Spitzenleute verloren ihren Job.

Parteifreunde attestieren "Blässe"

Michael Glos aber macht weiter, er macht einfach weiter. Dabei ist er umstrittener denn je. Die Opposition verhöhnt ihn als "Schlaftablette auf zwei Beinen" und "Null-Bock-Minister"; sogar Parteifreunde halten ihn schon lange für wenig kompetent. Er sei "sehr blass" im Bundeskabinett, räumt ein Parteifreund im Gespräch mit sueddeutsche.de ein. Ein anderer bezeichnet ihn gar als "Auslaufmodell".

Seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich dieser Eindruck verstärkt; "Er hat sich schwer getan, von Anfang an", sagt ein CSU-Mann und erinnert daran, dass Glos einst ja auch für den unentschlossenen Edmund Stoiber "einspringen" musste, der lieber im Freistaat regierte, denn in Berlin.

Viele in der Unionsfraktion haben seitdem den Eindruck, dass Glos den anstehenden Großaufgaben nicht gewachsen ist. Der gelernte Müllermeister zeigt sich überfordert. Vom Abtauchen des Ministers war schon die Rede - ein dickes Problem für CDU und CSU ein Jahr vor der Bundestagswahl.

Die Einschätzung von Freund und Feind frustriert Glos zunehmend - zumal er Merkel "immer die Stange gehalten hat", wie in der CSU zu hören ist. Inzwischen bricht der Frust des Mannes aus dem malerischen Prichsenstadt offen zu Tage - und er richtet sich gegen die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, die Oberste also im konservativen Lager.

Eine Art politischer Amoklauf

Schon vor ein paar Tagen klagte Glos, dass der wegen der Bahn-Boni strauchelnde SPD-Minister Wolfgang Tiefensee die Rückendeckung des Kanzleramts erfahre - im Gegensatz zu ihm. Diese Kritik fand noch hinter verschlossenen Türen statt - inzwischen schaltet der beleidigte Wirtschaftsminster offen auf Attacke um.

"In einem Orchester bestimmt derjenige vorn am Pult die Einsätze", erklärt Glos nun massenwirksam in der Bild-Zeitung: "Und die Dirigentin der Regierung hat bei der Lösung der Bankenkrise den öffentlichen Einsatz des Wirtschaftsministeriums wenig gefordert."

Will heißen: Er sei nicht abgetaucht, sondern nur nicht aufgetaucht - weil er nicht gerufen wurde. Wenn man den Glos'schen Gedanken weiterspinnt, trägt nicht er die Schuld an der schlechten Union-Performance, sondern Dirigentin Merkel.

Das Ganze wirkt wie ein politischer Amoklauf - oder wie ein letzte Aufbäumen. Für Glos sei das "die letzte Chance", hört man aus der CSU. Wenn er sich jetzt nicht wehre, würde er damit das Ende seiner politischen Karriere im Bundeskabinett besiegeln.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum eine allzu schwache CSU auch für Angela Merkel zum Problem werden könnte.

Früchte des Zorns: Bei Glos ist viel vom verletzten Stolz des Ministers zu spüren. Das allseits gefühlte Vakuum in Sachen Wirtschaftskompetenz füllen nun - dankbar - andere. Sie profilieren sich auf Kosten des Christsozialen.

SPD-Finanzminister Peer Steinbrück läuft seit Wochen als Krisenmanager zur Hochform auf. Und auch Frank-Walter Steinmeier, Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat, mischt bei der Opel-Rettung mit, um dem Wahlvolk seine Wirtschaftskompetenz unter Beweis zu stellen.

Vizekanzler Steinmeier tut es damit Angela Merkel gleich. Die CDU-Chefin und Bundeskanzlerin ist schon seit Wochen bemüht, die offene Flanke der Union beim Generalthema Wirtschaft und Finanzen durch eigenes Engagement zu schließen.

Egal, ob es sich um das Bankenrettungspaket oder die Opel-Frage handelt: Stets stimmt sich Merkel eng mit ihrem sozialdemokratischen Finanzminister ab - an Unionsmann Glos geht das irgendwie vorbei.

Einschläfernde Wirkung

Michael Glos hält, so gut es geht, dagegen: Er engagierte Merkels Intimfeind Friedrich Merz als Berater, startete eine Telefon-Hotline für den Mittelstand und machte sich für ein Konjunkturprogramm stark, das allerdings im Kabinett keinen Anklang fand.

Merkel und Steinbrück hätten den Minister und die gesamte CSU mit ihren wirtschaftlichen Notmaßnahmen vor vollendete Tatsachen gestellt, so die Kritik aus CSU-Kreisen: "Ohne Rücksicht auf Verluste."

Vermutlich hat Michael Glos auch aus der Partei Zuspruch bekommen. Seit einigen Wochen ist Glos wieder verstärkt medial präsent. Er gibt den großen Zeitungen Interviews, lässt sich zum "heute-journal" im ZDF zuschalten und setzt sich in die ARD-Talkrunde von Anne Will.

Am vorigen Sonntag erst gab Glos den Experten in der Causa Opel. Ja, sein erstes Auto sei ein Opel gewesen - und sogar sein Großvater habe vor dem Zweiten Weltkrieg ein solches Auto gefahren. Sind wir nicht alle Opel?

Dann warnte der Minister noch davor, dass Bürgschaftsgeld womöglich in die USA zur Opel-Mutter General Motors "abgezogen wird" und lobte, die deutsche Tochter sei "viel gesünder" als die US-Mutter. In der Runde hatte der 63-Jährige eine beruhigende, fast einschläfernde Wirkung.

Der Erfolg lässt zu wünschen übrig. Bis zu seiner Berufung als Wirtschaftsminister hatte der Franke eine passable Figur auf dem Berliner Parkett abgegeben. Als CSU-Landesgruppenchef im Bundestag habe er seine "Leute im Griff gehabt" und ein "strenges Regiment" geführt, erzählt ein CSU-Mann. Gerade in Personalfragen habe Glos immer hart durchgegriffen.

Auch wenn Merkel ein zu dominanter CSU-Minister die Show vor dem Superwahljahr 2009 stehlen könnte: Ein Ressortchef, den keiner mehr wahrnimmt, kann ihr auch nicht recht sein. Denn auch bei der Bundestagswahl 2009 braucht die CDU die kleine Schwester wieder als Stimmenstaubsauger im Süden der Republik.

Doch diesen Zusammenhang scheint die Kanzlerin derzeit zu verdrängen. Sie sei davon überzeut, so ein CSU-Mann, dass sie alleine genug Stimmen für einen Wahlerfolg sammeln könne. Ein anderer sagt: "Man hat den Eindruck, dass sie die Lage noch nicht so ganz verstanden hat."

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