Corona-Krise:Forscher rufen Bürger zu Disziplin auf

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Deutschland könne die zweite Welle relativ gut über­stehen - aber nur, wenn die Regeln eingehalten würden.

Von Christian Endt, München

Angesichts zum Teil dramatisch steigender Corona-Zahlen in Europa haben die Präsidenten von vier großen deutschen Forschungsinstituten die Bürger aufgerufen, sich an Hygieneregeln zu halten und in Innenräumen konsequent Masken zu tragen. "Ein wesentlicher saisonaler Faktor wird in der nun folgenden kalten Jahreszeit das vermehrte Aufhalten in geschlossenen Räumen sein. Dem kann durch ein konsequentes Tragen von Masken entgegengewirkt werden", hieß es am Donnerstag in einer gemeinsamen Stellungnahme der Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft.

Die Bundesregierung hat inzwischen auch 14 von 27 EU-Mitgliedstaaten zumindest teilweise zu Risikogebieten erklärt und warnt vor Reisen dorthin. Für Rückkehrer bedeutet das Quarantänepflichten.

In Deutschland selbst liegt die maßgebliche Zahl der täglichen Neuinfektionen im Vergleich zu vielen Nachbarländern auf niedrigem Niveau, allerdings steigt sie so schnell wie seit März nicht mehr. Auch der Anteil der Älteren unter den Neuinfizierten wächst seit Wochen wieder, was zunehmend schwere Verläufe erwarten lässt. Ebenso steigt der Anteil der positiven Ergebnisse unter allen Corona-Tests, er lag vergangene Woche erstmals seit Langem wieder über einem Prozent.

Noch ist offen, ob die Bundesrepublik auch die zweite Welle besser übersteht als viele andere Staaten - oder ob sich auch hier eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus anbahnt. Wie sich dies auch ohne erneuten Lockdown verhindern ließe, zeigen die Forscher in ihrem aktuellen Papier. Demnach spielt das Testen und Isolieren von Infizierten sowie das Nachverfolgen von Kontaktpersonen eine entscheidende Rolle. Damit ließe sich ein großer Teil der Ansteckungen verhindern. Allerdings nur, solange die Fallzahlen so niedrig sind, dass das Personal in den Gesundheitsämtern hinterherkommt. "Das ist wie bei der Feuerwehr", sagt Viola Priesemann, die zu den Autoren des Papiers zählt und am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen forscht. "Wenn die schon fünf Brände gleichzeitig löschen müssen, werden sie beim sechsten nicht mehr rechtzeitig ankommen. Dann droht ein Flächenbrand."

Priesemanns Berechnungen zeigen aber, dass die Gesundheitsämter ziemlich viel leisten können. Wenn es gelingt, etwa ein Drittel der Ansteckungen durch Abstandhalten, Hygiene und Alltagsmasken zu verhindern, könnte die Nachverfolgung den Rest bewältigen und eine exponentielle Ausbreitung des Virus verhindern. Ein Drittel - das sollte ohne verschärfte Auflagen wie Schul- oder Geschäftsschließungen oder gar einen Lockdown zu machen sein. Auch, wenn sich das Leben nun vermehrt nach innen verlagert, wo die Ansteckungsgefahr größer ist als draußen.

Die Forscher sehen dabei die Bürger in der Pflicht: "Wenn jede Person nach ihren Möglichkeiten ihren Beitrag leistet, kann Sars-CoV-2 unter Kontrolle bleiben."

© SZ vom 25.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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