Corona-Expertise:Mit einer Frau ist es nicht getan

Redaktionen müssen es sich zur Aufgabe machen, die gesellschaftliche Vielfalt auch wirklich abzubilden. Denn sonst fallen wichtige Themen und wichtige Stimmen einfach unter den Tisch.

Von Elisa Britzelmeier

Während die Virologin Melanie Brinkmann im März in der Talkshow von Markus Lanz zu Gast war, wurde im Internet vor allem ihr Aussehen kommentiert. So ist das leider häufig: Frauen werden öffentlich anders behandelt als Männer - verständlich also, wenn manche sich lieber nicht exponieren. Nicht verständlich ist es, wenn sie gar nicht oder zu selten gefragt werden. Immer wieder kommen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass Expertinnen medial unterrepräsentiert sind. Eine Studie zeigt nun, dass dies auch in der Pandemie gilt.

Nur 22 Prozent der Expertise im Fernsehen wird von Frauen geäußert, in Online-Artikeln sind es nur sieben Prozent. Das kann niemand hinnehmen; Redaktionen nicht, Frauen nicht, Männer nicht, die Gesellschaft als Ganzes nicht.

Ja, Frauen müssten lauter werden, ein bisschen Mut zum Mittelmaß täte ihnen gut. Schließlich reicht bei männlichen Kollegen oft weniger Erfahrung zum Expertenstatus. Und ja, es gibt in Schlüsselpositionen überdurchschnittlich viele Männer. Dennoch gilt: Redaktionen müssen es sich zur Aufgabe machen, Vielfalt auch wirklich abzubilden. Mit einer Frau pro Talkrunde ist das nicht getan. Sonst fallen wichtige Themen - wie etwa häusliche Gewalt in der Pandemie - oder wichtige Stimmen - wie etwa die der Virologin - einfach unter den Tisch.

© SZ vom 29.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: