Cinque Stelle:Schwere Schlagseite

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Ihr stetes Einknicken vor der Lega wird für die Fünf Sterne und Vizepremier Luigi Di Maio gefährlich. Ihre harte Linie geht vielen zu weit.

Von Oliver Meiler

Vor Maltas Küsten liegen zwei Rettungsschiffe mit insgesamt 49 Migranten. Viel zu lange schon, ohne Aussicht auf einen Anlegeplatz. Die Sea -Watch 3 von der deutschen Hilfsorganisation "Sea-Watch" ist seit zwei Wochen auf See, das andere Schiff, die Sea -Eye, seit einer Woche. Doch kein europäisches Land mag die Menschen aufnehmen. Malta ließ nur zu, dass die Schiffe bei rauer See in seinen Gewässern Anker werfen. Die Lage an Bord, berichten die Crews, sei dramatisch. Viele sind seekrank, kleine Kinder sind dabei, ein Neugeborenes. Das erweicht die Herzen nicht.

Das kleine Malta wirft Italien vor, seinen Verpflichtungen nicht nachzukommen: Die Schiffe seien erst in Gewässern geortet worden, die zur Verantwortung der Italiener gehörten. Und Italien wirft Europa vor, die geografisch exponierten Länder im Süden erneut allein zu lassen. Doch je länger die Blockade dauert, desto stärker gerät Italiens Regierung unter Druck. Vizepremier Luigi Di Maio von den Cinque Stelle schlug am Wochenende auf Facebook vor, Italien solle Kinder und Mütter aufgenehmen: "Wir sind bereit, ganz Europa eine Lektion in Menschlichkeit zu erteilen."

Tatsächlich? Es verstrichen nur Stunden, da meldete sich der Kollege Vizepremier von der rechten Lega, Innenminister Matteo Salvini. Di Maio dürfe natürlich reden, so Salvini, "in Migrationsfragen aber entscheide ich allein". Solange er Innenminister sei, blieben Italiens Häfen geschlossen "für Menschenhändler". "Erpressungen und Lügen" beeindruckten ihn nicht: "Keinen Millimeter weiche ich zurück." Darauf Di Maio: Er wolle Salvini nicht übergehen. Dessen "harte Linie" sei auch seine.

Der kurze Schlagabtausch verdichtet beispielhaft die einseitige Machtdynamik in der römischen Regierung. Der Unmut bei den Cinque Stelle wächst. Wähler und Parlamentarier vom eher linken Flügel werfen Di Maio vor, er habe die Seele der Partei den rechten Hardlinern und Angstmachern verkauft. Der Corriere della Sera schreibt, Di Maios Angebot, Mütter und Kinder zu holen, sei ein "wahltaktischer Schachzug", mehr nicht - und dazu fadenscheinig: Dass sich die Familien hätten trennen lassen, war nicht plausibel.

Nach Salvinis Maßregelung korrigierte Di Maio schnell und subaltern. Vergangene Woche hatten die Fünf Sterne zwei Senatoren ausgeschlossen, weil sie die ungeteilte Herrschaft Salvinis in Asylfragen nicht mehr mittragen wollten. Im Senat, der kleineren Parlamentskammer, ist die Mehrheit der Regierung jetzt nur noch klein, vier Stimmen. Prekär, gefährlich fragil.

In den kommenden Tagen und Wochen stehen Abstimmungen an, welche die Allianz beider Parteien auf die Probe stellen. Eine wird von der Ausstattung des Bürgerlohns handeln, des "Reddito di cittadinanza", der den Cinque Stelle so wichtig ist. Der Lega gefällt er gar nicht. Die Autonomie der Nordregionen Lombardei und Venetien ist ein Großprojekt der Lega, die Fünf Sterne aber fürchten um den Zusammenhalt der Nation. Ähnlich wichtig ist Salvini das Notwehrgesetz: Es soll stark erweitert werden, und Italiener sollen leichter an Waffen kommen. Einem Teil der Sterne geht das viel zu weit. Es braucht nur einige Senatoren, die Nein stimmen oder unpässlich sind, und Europas erste Populistenregierung wäre Geschichte. Nach weniger als einem Jahr im Amt.

© SZ vom 07.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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