CIA in der Praxis:Schmutzige Jobs auf offener Bühne

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Der US-Geheimdienst schickt seine Leute für Entführungen quer durch Europa - ohne sich um eine Tarnung zu bemühen.

Nicolas Richter

Wer auf langen Geschäftsreisen ist, der schätzt bequeme Unterkünfte. Die Zimmer im Mallorca Marriott Hotel Son Antem Golf Resort & Spa zum Beispiel bieten Ausblick auf den Pool oder den Golfplatz, innen gibt es nach Hotelangaben "luxuriöse Betten", deren Laken besonders flauschig sein sollen. Am Abend des 22. Januar 2004 lag ein Dutzend CIA-Agenten nach der Rückkehr von einer Operation in Algerien weich gebettet auf den Balearen. "Umgeben vom Duft der Mandel- und Olivenbäume", wie es in der Hotelwerbung heißt, bereiteten sie sich auf ihren nächsten Auftrag zur Terrorbekämpfung vor. Am folgenden Tag startete ihre Boeing 737 in Mallorca und landete im mazedonischen Skopje, wo die CIA-Abordnung den entführten Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri in Empfang nahm. Nach dessen Erinnerung verprügelten ihn die Amerikaner, bevor sie ihn in die Maschine packten. Wenig später warfen sie den Unschuldigen in Afghanistan in einen Kerker, wo er monatelang wegen angeblicher Al-Qaida-Kontakte verhört wurde.

Die Staatsanwaltschaft München, die seit zwei Jahren nach den Entführern fahndet, besitzt nun die Liste der mutmaßlichen Täter. Spanische Behörden haben ein Rechtshilfeersuchen der Münchner beantwortet und die Namen der Verdächtigen genannt. Die Entführung el-Masris mag eine Anti-Terror-Operation des mächtigsten Geheimdienstes der Welt gewesen sein - dennoch kam die spanische Polizei den Amerikanern verblüffend leicht auf die Spur. Die CIA hat zum Transport ihrer Geheimgefangenen immer wieder dieselben Flugzeuge benutzt, unter anderem die Boeing mit der Kennnummer N313P, die auf vielen Flughäfen der Welt gesichtet wurde. Auffällig oft war sie auch auf Mallorca gelandet. Öffentlicher Druck veranlasste die Behörden auf Mallorca, die Spuren zu verfolgen, welche die CIA hinterlassen hatte.

Warum nicht direkt nach Mallorca?

Die spanischen Beamten stellten bald fest, dass die Amerikaner nach der Landung der verdächtigen Flugzeuge wie normale Touristen in Hotels eincheckten, wo sie, wie jeder Gast, ihre Pässe mit Bild vorlegten. Wie schon bei anderen Flügen fand die Boeing-Zwischenlandung im Januar 2004 ihre Entsprechung im Gästebuch eines Hotels in Flughafennähe: Im Marriott Son Antem blieben die Amerikaner für eine Nacht, ihre Namen lauten etwa Kirk James Bird, James Fairing oder Patricia O'Riley. Wenige Tage später, am 26. Januar, landete dieselbe Boeing wiederum in Palma de Mallorca, diesmal aus Rumänien kommend, und flog am 28. Januar nach Washington zurück. Warum die Amerikaner nicht direkt von Afghanistan nach Mallorca flogen, ist unklar.

Dick Marty, der Ermittler des Europarats, der über verdächtige CIA-Operationen recherchiert, schreibt in seinem Bericht: "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das Flugzeug zum Auftanken in Rumänien hielt." Nach der Entführung el-Masris hätte die Boeing Palma de Mallorca von Afghanistan aus leicht ohne Zwischenstopp erreichen können. Marty vermutet deswegen, dass die CIA einen ihrer Gefangenen aus Kabul in Rumänien abgesetzt habe - ein Hinweis auf die mutmaßlichen Geheimgefängnisse, die der US-Geheimdienst mutmaßlich in Osteuropa unterhalten hat. Mallorca sei auf den Routen der CIA nie mit Gefangenen angeflogen worden; die Mittelmeerinsel diente Marty zufolge als fest etablierter Ausgangspunkt und als Erholungsort inmitten längerer Folgen von Gefangenenflügen zwischen Afghanistan, Europa und Nordafrika. Der Form halber tarnten sich die Amerikaner. Sie erschienen in den Hotels mit Diplomatenpässen, zumindest ein Teil von ihnen dürfte Falschnamen verwendet haben. Als Nutzerin der Boeing war in den Papieren eine Firma namens "Stevens Express Leasing" eingetragen.

Hotelrechnung über 160 000 Dollar

Die Ermittler entdeckten trotzdem schnell ein durchschaubares Muster. Die Agenten hätten sich in anderen Städten erholen können, sie hätten verschiedene Hotels aufsuchen oder gleich im Flugzeug schlafen können. Doch solche Versteckspiele empfand die CIA, wie es scheint, als unnötig. Als die Amerikaner ein Jahr vor el-Masri den Mailänder Imam Abu Omar entführten, nutzten 22 Agenten bereits ungeniert Mobiltelefone, die im ganzen Land Datenspuren hinterließen. Nach der gelungenen Operation ließen sie sich tagelang in einem Luxushotel in Venedig verwöhnen, allein die Hotelrechnungen der ganzen Aktion beliefen sich auf knapp 160 000 Dollar, gezahlt wurde mit CIA-Kreditkarten.

Vielleicht war dies eine kleine materielle Entschädigung dafür, dass die Agenten im von der US-Regierung ausgerufenen "Krieg gegen den Terror" schmutzige Jobs erledigen mussten. Als die italienische Justiz Haftbefehle gegen die verdächtigen Amerikaner erließ, soll sich die CIA gewundert haben. Inzwischen aber fürchten die US-Agenten die gerichtlichen Folgen ihrer Taten: Sie schließen inzwischen Versicherungen ab, um sich vor möglichen Zivilklagen ihrer Entführungsopfer zu schützen.

© SZ vom 21.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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