China:Wer glaubt, fliegt raus

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Die in der Volksrepublik regierende Kommunistische Partei will gegen religiöse Genossen vorgehen: Wenn ideologische Nachschulung nichts bewirkt, droht der Ausschluss. Das neue Regelwerk umfasst noch weitere strenge Vorschriften.

Von Christoph Giesen, Peking

Auf dem Papier ist die Lage eindeutig: Die "Bürger der Volksrepublik China genießen Religionsfreiheit", heißt es in Artikel 36 der chinesischen Verfassung. "Kein staatliches Organ, keine öffentliche Organisation oder Person darf die Bürger zwingen, an eine Religion zu glauben oder nicht zu glauben; noch dürfen sie Bürger diskriminieren, die an eine Religion glauben oder nicht glauben." Für 90 Millionen Chinesen gilt dieser Absatz in der Verfassung aber nicht mehr - für alle Mitglieder der herrschenden Kommunistischen Partei Chinas.

Am Sonntagabend verbreitete die mächtige Zentralkommission für Disziplinkontrolle, die auch die gefürchtete Antikorruptionskampagne von Staats- und Parteichef Xi Jinping koordiniert, ein überarbeitetes Regelwerk für Chinas Genossen, das rückwirkend vom 18. August an gilt; es umfasst 30 Seiten an Vorschriften. "Parteimitglieder mit religiösem Glauben sollten bei der Gedankenbildung unterstützt werden. Wenn sie sich nach Hilfe und Aufklärung der Parteiorganisation immer noch nicht ändern, sollten sie ermutigt werden, die Partei zu verlassen", heißt es in den neuen Regeln. Im Klartext: Wer trotz ideologischer Nachschulung weiter betet, dem droht der Ausschluss.

In Xinjiang werden vor jeder Moschee die Ausweise eingelesen

Für viele Muslime in China ist das übrigens seit Jahren Realität. In Xinjiang, jener Region im Nordwesten der Volksrepublik, wo das Turkvolk der Uiguren lebt, sind an Moscheen etwa in Urumqi oder Kashgar Tafeln angebracht, die Parteimitglieder davor warnen, die Gebäude auch nur zu betreten. Vor jeder Moschee werden Ausweise eingelesen und Gesichter per Kamera gescannt. Bei Verstößen drohen in Xinjiang Gehaltseinbußen und Umerziehungslager.

Konsequenzen erwachsen Parteimitgliedern künftig auch, wenn sie die Geschichte des Landes "verfälschen". Bisher galt dies nur für eine nach Parteiauffassung verzerrte Darstellung der Partei- oder Militärgeschichte. In besonders schwerwiegenden Fällen müssen Mitglieder nicht nur die Partei verlassen, sondern auch mit einem strafrechtlichen Verfahren rechnen.

Die neuen Regeln sehen ebenfalls vor, dass die Mitglieder sich nicht gegen die zentralen Linien und Entscheidungen der Partei aussprechen sowie "politische Gerüchte verbreiten oder die Einheit der Partei beschädigen" dürfen. Im Klartext: Kritik an Xi Jinping ist nicht erwünscht. Seit seinem Amtsantritt vor sechs Jahren hat Xi seine Macht immer weiter ausgebaut. Unter seiner Führung wurden die staatlichen Kontrollen massiv verschärft. Im März dieses Jahres schaffte der Volkskongress die Begrenzung der Präsidentenamtszeit auf zwei Legislaturen ab; Xi kann nun beliebig lange an der Spitze des Landes stehen.

Fehlen darf in dem überarbeiteten Regelwerk folglich auch nicht der Verweis auf das "Xi-Jinping-Denken" und den "Sozialismus mit chinesischen Eigenschaften". Sowohl in die Partei- als auch in die Landesverfassung wurde der Name des mächtigen Staats- und Parteichefs in den vergangenen Monaten aufgenommen, nun steht er auch in den Verhaltensvorschriften für Chinas Kader.

© SZ vom 28.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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