China:Politik der Einmischung

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Ein Weißbuch für den Weltraum, eine lange Liste mit neuen Handelsverbindungen in alle Welt: Die Führung in Peking baut zielstrebig ihren Einfluss aus. Die alte Doktrin von der Nichteinmischung gerät darüber fast schon in Vergessenheit. Und auch die gewaltigen Probleme zuhause.

Von Christoph Giesen

Gewaltige Pläne sind dies: Schon in drei Jahren will China eine Sonde Richtung Mars schicken. Mittelfristig sei gar eine Jupiter-Mission angedacht, heißt es in dem neuen Weißbuch zur chinesischen Raumfahrt. Zum ersten Mal bezeichnet sich China darin als Weltraummacht. Hier zeigt sich Pekings neues Selbstbewusstsein, genauso wie in der Wirtschaftspolitik: 2016 nahm das Volumen chinesischer Firmenübernahmen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um das 20-fache zu. Auch in der Schweiz oder in Italien kauften sich chinesische Unternehmen verstärkt ein. In den kommenden Jahren dürften etliche Deals folgen.

Die nächste Demonstration der neuen Stärke steht im Januar an. Xi Jinping, Chinas allmächtiger Staats- und Parteichef, wird zum World Economic Forum nach Davos reisen. Xis Stab plant, seine Teilnahme mit einem Staatsbesuch in der Schweiz zu verbinden. Nie zuvor hat ein chinesischer Machthaber diese Jahreshauptversammlung der globalisierten Welt in den Schweizer Alpen besucht. Noch im vergangenen Jahr hatte die immerhin zweitgrößte Volkswirtschaft lediglich zwei unbedeutende Apparatschicks vorbeigeschickt.

Hinter den Raumfahrt-Ambitionen und der Wirtschaftsoffensive versteckt sich eine größere Botschaft: China schickt sich an, künftig sehr viel stärker in Erscheinung zu treten. Eine schleichende Wachablösung steht bevor. China bietet an und fordert ein.

Pekings Einfluss wächst auf der Erde und selbst im Weltall

Noch immer ist die wichtigste offizielle außenpolitische Doktrin Pekings die Politik der Nichteinmischung. Ersonnen wurde sie vom ehemaligen Ministerpräsident Zhou Enlai. Er formulierte das Prinzip 1953 zum ersten Mal in der Präambel eines Vertrags zwischen China und Indien, in dem die Tibetfrage geregelt ist. 1955 wertete Zhou die Nichteinmischung auf der Konferenz von Bandung zum außenpolitischen Grundsatz auf. Bis heute hat die Doktrin ihre Gültigkeit behalten. Über die Jahre wurde der Ansatz lediglich sprachlich modifiziert. Die Vorgabe von Reformpatriarch Deng Xiaoping lautete, auf internationaler Bühne möglichst "wenig Profil" zu zeigen. Das ändert sich unter Xi Jinping nun allmählich.

Euro-Krise, Brexit und jetzt auch noch Donald Trump - überall sieht auch Chinas Führung Probleme. Da erscheinen manchem Genossen die eigenen Schwierigkeiten mit maroden Staatsunternehmen oder die ungezügelte Kapitalflucht als fast schon geringes Übel. Ein günstiger Moment indes, um die eigene Präsenz in der Welt auszubauen. Im September veranstaltete China zum ersten Mal einen G-20-Gipfel in Hangzhou, nun legt das Land im Orbit vor.

Als Weltall-Nation ist China ein Spätzünder. Erst 2003 flog der erste chinesische Raumfahrer ins All (fälschlicherweise "Taikonaut" genannt; Chinesen selbst sprechen von "Hangtianyuan" - Himmelsflug-Angestellte). In zwei Jahren soll dann auch mit dem Aufbau einer Raumstation begonnen werden. Bis 2022 soll die Station einsatzbereit sein - ein idealer Zeitpunkt, denn vermutlich 2024 stellt die Internationale Raumstation ISS ihren Betrieb ein. Politische Fußnote: Auf der ISS war chinesischen Forschern aus Furcht vor Spionage die Arbeit vom US-Kongress verwehrt worden. Bald könnte Peking selbst Frankreich, Russland oder Deutschland zur Teilhabe an Weltraummissionen einladen.

Die Führung in Peking plant mit großem Gespür für den richtigen Augenblick und auch mit der nötigen Geduld. Die Formel von der Nichteinmischung ist aus dem offiziellen Wortschatz nahezu verschwunden. Stattdessen schafft sich die Regierung Optionen und hegt zarte Pflänzchen, die bald starke Wurzeln ausbilden werden. Das Selbstbewusstsein des Landes wächst im All und auf der Erde.

© SZ vom 28.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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