China:Pekinger Signale

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Airbus schließt einen Vertrag ab und Premier Li Keqiang verspricht Bundeskanzlerin Angela Merkel Hilfe in der Flüchtlingskrise.

Zunächst schien es, als passe diese Reise nach China nicht in diese Wochen, die vom Koalitionsstreit um die Flüchtlinge beherrscht werden und von sinkenden Umfragewerten. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt, wie es ihre Art ist, trotz der nationalen Querelen an der Planung fest. In Peking wurde sie am Donnerstagmorgen mit militärischen Ehren empfangen, unter anderem mit mehr als zwanzig Salutschüssen, was laut chinesischen Protokollisten nur besonders ranghohen und geschätzten Gästen zuteil wird.

Merkel bekommt danach auch die Signale, von denen sie hofft, dass sie ihr daheim nützlich werden könnten, um die Stimmung zu verbessern und um im Weiteren die Flüchtlingsdebatte zu befrieden. Zunächst außenpolitisch: Ministerpräsident Li Keqiang will mithelfen, die Ursachen des ungebremsten Zustroms an Flüchtlingen zu beseitigen. "China ist gern bereit, die Länder zu unterstützen, damit Ruhe und Stabilität einkehren können", sagt er und meint damit Syrien, Afghanistan und Pakistan. Auch wirtschaftlich punktet die Kanzlerin: Die Chinesen unterzeichnen einen Kaufvertrag mit Airbus über 130 Jets, Gesamtwert 15,6 Milliarden Euro. Schließlich adelt Li Keqiang Merkel durch eine diplomatische Aufmerksamkeit. Er begleitet sie als ersten ausländischen Staatsgast überhaupt zu einem Besuch außerhalb Pekings, ein "Zeichen unserer besonderen Beziehung".

Die Chinesen unterzeichnen einen Vertrag mit Airbus im Wert von 15,6 Milliarden Euro

Deutschland darf hoffen, so hat es den Anschein, für China weiterhin der wichtigste Partner in Europa zu sein. Doch da sind auch die leisen Töne, die Zweifel und Sorge erkennen lassen, dass Merkel von der chinesischen Führung nicht mehr als unangefochten erste Ansprechpartnerin Europas angesehen wird. Die europäische Flüchtlingskrise hinterlässt nicht nur Spuren in den deutschen Umfragewerten, sondern auch bei den chinesischen Gastgebern. "Wir sind zutiefst beunruhigt über die Flüchtlingskrise in Europa", sagt Li Keqiang auf der Pressekonferenz mit Merkel.

Später erinnert der Premier, der ein Land mit 1,3 Milliarden Menschen regiert, kühl daran, wer in der Europäischen Union, in der 500 Millionen Menschen leben, in der Pflicht ist zu handeln: "Ich bin überzeugt, dass mit den vereinten Kräften der Europäer die Krise gelöst werden kann." Die Botschaft ist klar: Kümmert euch!

Wie ausgeprägt die Skepsis ist, lässt Li Keqiang in kleiner Gesprächsrunde durchblicken, als er sich erkundigt, wie es um die Euro-Krise stehe. Die Bundeskanzlerin reagiert auf die durchschimmernde Skepsis mit einer zusätzlichen Dosis Lob: Als Europa wegen des Euro in die Krise geraten sei, habe sich China als zuverlässiger Partner gezeigt, sagt sie. "Hätte China damals auch seine Euro-Anleihen verkauft, wäre die Krise noch in ganz anderen Dimensionen denkbar gewesen", sagt sie. Es ist ein spätes Bekenntnis, wie dramatisch nahe die Währungsunion ihrem Ende gewesen war.

Die Flüchtlingskrise scheint in China die Erinnerung an den Streit der Europäer um den Euro aufgefrischt zu haben.

Erfreulich für die Kanzlerin bleibt, dass Li Keqiang offenbar zur Mithilfe bereit ist, den Krieg in Syrien zu beenden und damit eine zentrale Fluchtursache zu beseitigen. Dieser Konflikt müsse dringend beendet werden, sagt er. Fünf Jahre Krieg hätten nicht nur dem syrischen Volk unermesslich geschadet, sondern auch Terroristen produziert. Er fordert eine politische Lösung, die alle Interessen berücksichtige. "Aus chinesischer Sicht ist es ein sehr guter Weg, das im Rahmen der Vereinten Nationen zu machen, und wir werden unseren konstruktiven Beitrag leisten."

Damit signalisiert Li Keqiang indirekt seine Bereitschaft, eine mögliche UN-Resolution gegen das Regime in Syrien mitzutragen. China ist Vetomacht im UN-Sicherheitsrat. Die Kanzlerin sagt, sie freue sich sehr, dass es Anzeichen für neue Gesprächsformate gebe. Was zugleich heißt, dass die Lösung der Flüchtlingskrise weiter am Anfang steht - trotz chinesischer Signale.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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