China:Klarstellen, wer der Chef ist

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Zum ersten Mal seit 14 Jahren besucht ein chinesischer Staatschef Nordkorea - Xis geplante Reise dient nicht nur dazu, die Machtverhältnisse klarzustellen, sondern auch, um indirekt Druck auf die USA aufzubauen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Chinas Präsident Xi Jinping wird am Donnerstag zu einem zweitägigen Staatsbesuch in Pjöngjang erwartet, es ist seine erste Reise nach Nordkorea. Bei den Gesprächen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un gehe es vor allem um eine baldige Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Denuklearisierung, erklärte das Blaue Haus, der Sitz des Präsidenten Südkoreas. Peking habe sich für die Planung von Xis Besuch eng mit Seoul beraten. "Die endgültige, verifizierte nukleare Abrüstung Nordkoreas" müsse das Ziel bleiben, kommentierte das Weiße Haus in Washington.

Xi komme "auf Einladung" Kims, so Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA. Diese Einladung liegt China seit Jahren vor, aber Xi hat den Besuch immer wieder hinausgeschoben. In den ersten Jahren nach Kims Amtsantritt machte Peking kein Hehl daraus, dass es eine dritte Generation der Erbdiktatur Nordkoreas ablehnte. Es duldet auch die Atombewaffnung nicht, sieht in dem Thema aber, anders als die USA, keine absolute Priorität. Peking setzte, seit Kim seine Provokationen mit Atomtests und Raketen vor drei Jahren intensivierte, die UN-Sanktionen ziemlich konsequent um. Das ist bis heute so. Damit hat China Nordkoreas wirtschaftliche Engpässe massiv verschärft.

Seit 14 Jahren hat kein chinesischer Staatschef Pjöngjang besucht. Kim dagegen reiste trotz Sanktionen in den letzten 15 Monaten vier Mal zu Gipfeltreffen mit Xi nach Peking. Damit hat Xi hat die Machtverhältnisse klargestellt: Kim ist ein Bittsteller, Peking beansprucht eine Führungsrolle.

Peking hat sich seit dem gescheiterten Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Kim Ende Februar in Hanoi abseits gehalten. Anders als erwartet, empfing Xi den Nordkoreaner während dessen Zugreise von Vietnam durch halb China zurück nach Nordkorea nicht. Jetzt jedoch sieht Peking den Moment gekommen, die Initiative zu ergreifen - nicht zufällig nur Tage vor dem G20-Gipfel in Osaka. In Japan wird Xi auf US-Präsident Trump treffen, der einen Handelskrieg gegen China führt. Südkoreanische Medien vermuten, Xi wolle gegenüber Trump "die Nordkorea-Karte spielen", den USA mithin zu einem Neustart bei der Denuklearisierung verhelfen - und von ihnen dafür Konzessionen verlangen. Es sei offensichtlich, dass Xi Nordkorea nicht zur "Goodwill-Diplomatie" besuche wie einst seine Vorgänger, so die Tageszeitung Hankyoreh in Seoul, sondern um Geopolitik zu machen. Sonst würde er länger in Nordkorea bleiben.

Gemäß Propaganda stehen sich China und Nordkorea "so nahe wie Lippen und Zähne". In Wirklichkeit trifft die Metapher aus dem Koreakrieg seit Jahrzehnten nicht mehr zu. Oder "nur geographisch", wie chinesische Experten sagen. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist China der einzige Verbündete Nordkoreas. Die Wirtschaft von Chinas Nordosten ist eng mit der Nordkoreas verflochten - zumindest war sie es, bis viele Verbindungen wegen der Sanktionen gekappt wurden.

Andererseits blickte schon Kims Großvater Kim Il-sung misstrauisch nach China, er versuchte, Peking auf Distanz zu halten. Seine Propaganda unterdrückte den Beitrag der Truppen Mao Tse-tungs im Koreakrieg, obwohl diese Kims Regime vor dem Untergang retteten. Das ist bis heute so: Die Nordkoreaner wissen nicht, dass ihr Land seine Existenz seit seinen Anfängen China verdankt. Sie hegen keinerlei Sympathien für China. Vor allem Kims Vater Kim Jong-il suchte, Nordkoreas Nachbarländer gegeneinander auszuspielen, um seine Abhängigkeit von Peking zu verringern.

Kim Jong-un seinerseits hofft, er könne Xi eine Lockerung der Sanktionen abhandeln. Peking hat sich bereits für eine stufenweise Denuklearisierung ausgesprochen, die mit schrittweisem Entgegenkommen belohnt würde. Ko Min-jung, der Sprecher des Blauen Hauses, erwartet optimistisch, Xis Nordkorea-Besuch schiebe den Friedensprozess wieder an. "Damit verbessern sich die Chancen für einen nächsten innerkoreanischen Gipfel."

© SZ vom 19.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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