Covid-19:Nur nicht in Wuhan

Lesezeit: 3 min

In Wuhan darf schon wieder gefeiert werden, geforscht aber noch nicht. (Foto: Noel Celis/AFP)

Peking hält erneut eine unabhängige Expertengruppe der WHO davon ab, den Ursprung der Pandemie zu erforschen. Die Behörden streuen Zweifel daran, dass das Virus überhaupt aus China stammt. Womöglich ist die Chance, wichtige Indizien zu sichern, längst verstrichen.

Von Lea Deuber, Peking

Einige Wissenschaftler stoppten in letzter Minute ihre Abreise, zwei Experten mussten umkehren. Nach Monaten des Wartens hat Peking erneut die Einreise einer unabhängigen Expertengruppe verhindert, die im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation die Ursprünge des Coronavirus in China erforschen soll. Das Virus war dort im Dezember 2019 das erste Mal entdeckt worden.

Grund für den Abbruch der Reise war eine fehlende Einreise-Erlaubnis von Seiten Chinas, bestätigte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Dienstag in Genf. "Ich bin sehr enttäuscht über diese Nachricht", sagte Tedros, der selbst erst am Dienstagmorgen davon erfahren haben soll. Entgegen den Absprachen habe Peking kurzfristig erklärt, dass die nötigen Einreisepapiere doch noch nicht vorlägen, bestätigte WHO-Nothilfekoordinator Michael Ryan.

Das chinesische Außenministerium brauche noch Zeit, um "gute Bedingungen für die Experten zu schaffen"

Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums begründete den Aufschub am Mittwoch mit nötigen Vorbereitungen. "Wir müssen noch Schwierigkeiten überwinden, um unsere internen Vorbereitungen voranzubringen und gute Bedingungen für die Experten zu schaffen, nach China zu kommen."

Die chinesische Regierung und die Weltgesundheitsorganisation stünden noch in Konsultationen über den Besuch der Experten. Die Suche nach dem Ursprung des Virus sei eine komplizierte Sache. "Wir müssen notwendige Verfahren durchlaufen und besondere Absprachen treffen." Es gehe nach ihrem Verständnis "nicht nur um Visa, sondern auch um Termine und einige andere Details".

Die WHO verhandelt seit Monaten mit Peking, die Diskussionen kamen zuletzt nur zäh voran

Es war geplant, dass die Experten nach der Ankunft in China erst zwei Wochen in Quarantäne müssen. Die WHO verhandelt schon seit Monaten mit Peking über die Expertenmission. Eine unabhängige Untersuchung des Ursprungs war von allen 194 Mitgliedstaaten der Organisation im Mai beschlossen worden. Auch China hatte dieser offiziell zugestimmt.

Die Diskussionen kamen aber nur zäh voran. Jeder einzelne Experte muss von chinesischer Seite abgesegnet werden, bevor das Team die Arbeit aufnehmen kann. Die Experten wollen unter anderem in die zentralchinesische Stadt Wuhan reisen, wo im Dezember zahlreiche Fälle in der Nähe eines Fischmarktes entdeckt worden waren. Auf Druck Chinas sollen die Forschung zu den ersten Patienten und dem Markt nun aber ausschließlich chinesische Wissenschaftler übernehmen.

Das letzte Mal, als ein Team nach China reiste, durfte es sich nicht frei bewegen

Mitte Februar war bereits ein Team unter Führung der WHO nach China gereist. Dieses hatte aber kaum Zugänge erhalten, die Wissenschaftler durften nicht in die Nähe des Marktes. Im August war ein zweiköpfiges Team für die Vorbereitung der jetzigen Expertenmission nach China gereist, durften sich aber ebenfalls nicht frei bewegen, mussten drei Wochen in Peking bleiben. Nach Wuhan durften sie nicht.

Zu Beginn der Pandemie hatten chinesische Behörden den Fischmarkt im Stadtteil Hankou selbst für den möglichen Ort gehalten, an dem das Virus von Tier auf den Menschen übergesprungen sein könnte. Die Waren des Marktes wurden aber bereits Anfang Januar von den Lokalbehörden zerstört. Wie viel davon noch untersucht wurde, ist bis heute nicht bekannt. Womöglich wurde bereits die einzige Chance verpasst, wichtige Indizien zum Ursprung des Virus zu sichern.

Die Behörden hatten in den ersten Wochen auch Fallzahlen manipuliert, Laborproben vernichtet, Ärzte eingeschüchtert und die Gefährlichkeit des Virus in offiziellen Bekanntmachungen heruntergespielt.

Bereits im März hieß es, amerikanische Soldaten könnten das Virus nach Wuhan gebracht haben

Chinesische Behörden streuen seit Monaten Zweifel daran, dass das Virus überhaupt aus China stammt. Staatsmedien verweisen auf unbestätigte Berichte, dass es mögliche Sars-CoV-2-Infektionen vor der Entdeckung der ersten Fälle Anfang Dezember 2019 in Wuhan schon in anderen Ländern gegeben haben soll. Bereits im März verbreitete ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums die Theorie, amerikanische Soldaten könnten das Virus bei den internationalen Militärwettspielen im Oktober 2019 nach Wuhan gebracht haben. Später bezichtigten Staatsmedien Italien als Ursprungsort des Virus.

Auch wird auf angebliche Spuren des Virus auf tiefgefrorenen Lebensmitteln als möglichen Beweis darauf verwiesen, dass das Virus aus dem Ausland gekommen sein könnte. Unabhängige Forscher vermuten hingegen Fledermäuse aus Südchina als mögliche Ursprungsquelle.

Chinas Außenminister erklärte am Wochenende in einem Auftaktinterview für das Jahr 2021, immer mehr Forschungsergebnisse wiesen daraufhin, dass die Pandemie durch voneinander unabhängigen Ausbrüchen in verschiedenen Orten in der Welt ausgelöst wurden. China habe allerdings sofort alle nötigen Maßnahmen ergriffen, um epidemiologische Untersuchungen durchzuführen und den Erreger zu identifizieren, sagte Wang.

© SZ/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: