China:Auf den Prüfstand

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Es war die größte Militärparade in der Geschichte der Volksrepublik: Als China seinen 70. Jahrestag feierte, stand Xi Jinping im Mittelpunkt. (Foto: Mark Schiefelbein/AP)

Xi Jinpings harter Kurs im Handelsstreit oder während der Proteste in Hongkong ist in China nicht unumstritten. In dieser Woche tagt die Kommunistische Partei - und es wird sich zeigen, wie viel Rückhalt er noch hat.

Von Lea Deuber, Peking

Bei der Parade zum Nationalfeiertag Anfang Oktober in Peking gab es diesen Moment, in dem Chinas mächtigster Mann, Präsident Xi Jinping, minutenlang einem Selbstporträt zuwinkte. Die übergroße Darstellung Xis hatte die Hand ebenfalls zum Gruß erhoben. Zehntausend Zuschauer auf dem Platz des Himmlischen Friedens taten es ihr gleich. Dort, wo sonst nur Staatsgründer Mao Zedong lächelnd auf sein Volk hinabblickt, jubelte die Menge dem neuen Führer des Volkes zu. Einen Titel, den der 66-Jährige seit fast zwei Jahren trägt. Nur Mao durfte bisher so genannt werden. Die Welt sah in diesem Moment einen Mann anscheinend auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Ab diesem Montag wird sich zeigen, wie groß diese Macht wirklich ist. Dann nämlich trifft sich die Führungsspitze der Partei zu ihrem wichtigsten Treffen in diesem Jahr, dem vierten Plenum des Zentralkomitees. Die Versammlung der über 300 führenden Kader der Regierung war bereits seit einem Jahr überfällig. Seit der Mao-Ära gab es nie ein Plenum, das länger auf sich warten ließ. Der Aufschub könnte darauf hindeuten, dass es Uneinigkeiten über den Kurs von Xi gibt, der auch Generalsekretär der KP ist. Das ist seine wichtigste Rolle. Der Handelsstreit, die anhaltenden Proteste in Hongkong und die schlechten Wirtschaftszahlen verhageln Chinas mächtigstem Politiker die Bilanz.

Was in den vier Tagen bei dem Treffen in Peking genau besprochen wird, ist wie üblich kaum vorherzusagen. In der Regel dringt vorher kaum etwas an die Öffentlichkeit. Auch das Zusammenkommen des Plenums wurde erst vergangene Woche bekannt gegeben. Beim Plenum könnten aber neben möglichen wichtigen Personalentscheidungen die Beschlüsse des letzten Parteitags innerhalb der Partei ideologisch und rechtlich umgesetzt werden. Vor zwei Jahren hatte Generalsekretär Xi seine eigene Theorie, die "Xi-Jinping-Denke" in die Parteistatuten und später in die Verfassung aufnehmen lassen. Die prominente Rolle der Xi-Denke in der Ankündigung zum Plenum diese Woche deutet darauf hin, dass der Präsident trotz vieler Gerüchte weiterhin den Rückhalt in der Partei besitzt und Kritiker sich bisher nicht gegen ihn durchsetzen konnten.

Der Druck auf die Parteispitze ist aber auch abseits möglicher interner Querelen hoch. Ein Problem sind die schlechten Wirtschaftszahlen der vergangenen Monate. Problematisch ist weniger das zurückgehende Wirtschaftswachstum, das nun bei rund sechs Prozent liegt. Kritischer ist vielmehr die Frage, wie die Partei darauf reagieren wird und inwieweit Xi bereit ist, seit Langem geforderte Wirtschaftsreformen zuzulassen. Zuletzt hat sich die Partei aller Kritik zum Trotz wieder verstärkt in die Belange der Privatunternehmen eingemischt und Staatsbetriebe gestärkt. Auf politischer Ebene wird es bei der Sitzung sicher auch um die Proteste in Hongkong gehen. Zuletzt hieß es, Peking könnte Regierungschefin Carrie Lam vorzeitig abberufen und bis März ersetzen lassen.

In Washington hielt US-Vizepräsident Mike Pence erst vor ein paar Tagen eine Rede, in der er Chinas Führung massiv angriff. Das Land sei in vielerlei Hinsicht in den vergangenen Jahren "noch aggressiver und destabilisierender" geworden, sagte Pence. Außerdem wiederholte er die Vorwürfe, die im Handelsstreit eine zentrale Rolle spielen: die unfairen Geschäftsbedingungen, der systematische Diebstahl geistigen Eigentums und Chinas aggressive Politik im Südchinesischen Meer.

Peking reagierte verärgert auf die Rede und sprach von "Lügen". Zwar bemüht sich die KP immer wieder, den Konflikt mit den USA als nicht allzu dramatisch darzustellen. China erklärte gerade "die erste Phase" des Handelsstreits für beendet. Doch hinter den Kulissen scheint man sich gleichzeitig auf einen jahrzehntelangen Konflikt einzustellen. Xi Jinping schwört seit Monaten das Land auf einen neuen "langen Marsch" ein. Sein Vergleich mit dem Rückzug der Roten Armee im Bürgerkrieg deutet auf eine Neuausrichtung hin. In einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua über eine Rede, die Xi an einer Parteischule kurz vorm Nationalfeiertag hielt, tauchte der Begriff des "Kampfes" 56-mal auf. Seit Mao wurde diese Formulierung nicht mehr so häufig genutzt. Der Staatsgründer beschrieb damit Feinde nach außen - und nach innen.

© SZ vom 28.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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