China:Der Spion, der mich liebte

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Die gute, alte Honigfalle: Mit lehrreichen Plakaten will die Pekinger Führung verhindern, dass Chinesen ausländischen Mächten auf den Leim gehen. (Foto: oh)

Peking warnt die Bürger vor ausländischen Spionen. Das passt zur nationalistischen Tonlage, die der Präsident mittlerweile immer öfter anschlägt.

Von Christoph Giesen, Peking

Seit ein paar Tagen hängt in den Vitrinen und an den Wandzeitungen der Behörden in China ein Comicposter: "Gefährliche Liebe" lautet der Titel. Darauf zu sehen sind David, ein Wissenschaftler aus dem Ausland und die junge Beamtin Xiao Li. Sie haben sich bei einer Dinnerparty kennengelernt. David macht ihr viele Komplimente und schenkt Rosen. Als sie gemeinsam im Park spazieren gehen, fragt er sie: "So Liebling, wo genau arbeitest du?" Xiao Li antwortet: Sie sei dafür verantwortlich, interne Vermerke für die politische Führung zu erstellen. David daraufhin: "Das ist großartig. Kannst du mir die Dokumente leihen?" Er brauche sie für seine akademische Arbeit. Xiao Li liefert - aus Liebe. Wenig später wird sie verhaftet. David sei ein ausländischer Spion, teilen ihr zwei Polizisten mit. Die klassische Honigfalle also - im Kalten Krieg wurde sie noch aufgestellt. Die Stasi trainierte ihre "Romeos", darin alleinstehende Vorzimmerdamen in Bonn zu finden und abzuschöpfen. Aber heute? In einer Zeit, in der die Dienste Daten online absaugen und Hacker-Angriffe starten?

Bereits seit einigen Monaten verschicken Mobilfunkprovider SMS mit der Bitte, die Augen offen zu halten und bei einem Spionageverdacht sofort die Behörden zu kontaktieren. Vergangene Woche fand zum ersten Mal der Tag der nationalen Sicherheit statt. Mit Ausstellungen und Vorträgen am Arbeitsplatz und in den Schulen.

Mitte der Woche folgte dann der nächste Schritt: Auf den Titelseiten der Parteiblätter wurde über einen Computertechniker berichtet, der zum Tode verurteilt worden ist. Er hatte für ein Institut gearbeitet, das auf Verschlüsselung spezialisiert ist und soll 150 000 vertrauliche Dokumente an einen ausländischen Geheimdienst weitergegeben haben. Bereits 2011 wurde er festgenommen. Nun fünf Jahre später führte man ihn in orangefarbener Gefängnisweste und Handschellen im Staatsfernsehen vor. Es passiert sonst nur äußerst selten, dass Chinas Führung Spionagefälle publik macht. Das letzte Mal war das 2008: Damals war ein Geschäftsmann und Biomediziner trotz internationaler Appelle wegen angeblicher Spionage für Taiwan hingerichtet worden.

Unstrittig ist, die neue Kampagne passt ideal zu den zunehmend nationalistischen Tönen von Parteichef Xi Jinping. Vor allem gegen Amerika und Japan wird in den Zeitungen gehetzt: Ausländer seien schuld am Börsencrash vergangenes Jahr; im Südchinesischen Meer hätten die USA nichts zu suchen und dass Internetseiten in China gesperrt sind, liege daran, dass die Inhalte die öffentliche Moral gefährdeten.

Nun also warnt die Führung vor Spionageattacken aus dem Ausland. In der Presse werden auch gleich Nationen genannt, die es auf chinesische Militärgeheimnisse abgesehen haben könnten. Zum Beispiel Japan, zitiert die parteitreue Global Times einen chinesischen Militärexperten: "Durch das Anheuern von Spionen könnten zur Vorbereitung eines Krieges Chinas Militärtaktiken erbeutet werden." Starke Rhetorik, die Kampagne hat aber gerade erst begonnen.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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