Cem Özdemir:Wichtige Personalie

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Wenn Cem Özdemir, der Schwabe mit türkischen Wurzeln, Parteichef wird, hat das eine Bedeutung weit über die Grünen hinaus.

Daniel Brössler

Cem Özdemir ist zurück. Nach einer Demutspause und einem Umweg über Europa tritt der Schwabe wieder auf die bundespolitische Bühne. Dank des Rückzugs des Berliner Landespolitikers Volker Ratzmann steht seiner Wahl zum Vorsitzenden der Grünen im November wenig entgegen.

Wichtige Personalie - nicht nur für die Grünen: Cem Özdemir (Archivbild) (Foto: Foto: dpa)

Aus dem Rennen um die Nachfolge von Reinhard Bütikofer ist ein Spaziergang geworden, der den Europaparlamentarier Özdemir fast sicher ans Ziel führen wird. Aus einer Vielzahl von Gründen ist das eine wichtige Personalie. Nicht nur für die Grünen.

Für die politische Kultur im Lande enthält sie nützliche Botschaften. Zunächst natürlich diese: Wer für Fehler einsteht - wie Özdemir nach der Affäre um Bonusmeilen und einen anrüchigen Kredit - muss keine lebenslange Ächtung fürchten. Bedeutsamer aber noch ist, dass erstmals ein Deutscher mit türkischen Wurzeln Vorsitzender einer Bundestagspartei wird.

Gerade den Grünen steht das gut zu Gesicht. Innerparteilich ebenso wichtig ist, dass in Özdemir ein Politiker an die Spitze tritt, der nicht zur Gründergeneration gehört. Mit 42 Jahren erfüllt Özdemir ein Kriterium, das Reinhard Bütikofer für seinen Nachfolger aufgestellt hatte. Vielleicht nicht jugendlich, aber doch noch jung sollte der Neue sein.

Diesen Ruf nach einem Generationenwechsel haben viele prominente Spitzen-Grüne dem scheidenden Parteichef verübelt. Es mag sein, dass Bütikofer ein paar alten Parteifeinden vors Schienbein treten wollte. Was die keineswegs nur bei den Grünen herrschende Sehnsucht nach ein paar neuen Gesichtern anbelangt, aber lag er nicht falsch.

Die Wahl eines jungen Vorsitzenden ist noch kein Beweis einer Erneuerung. Dieser kann erst am 27. September 2009 erbracht sein, wenn die Deutschen einen neuen Bundestag gewählt haben. Dann erst wird sich zeigen, welchen Stellenwert die Grünen in einem Fünf-Parteien-System haben.

In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit haben die Diskussionen um schwarz-grüne Koalitionen und rote Duldungen einen Umstand verdeckt, der den Grünen dennoch schmerzlich bewusst ist: Bei den jüngsten Landtagswahlen mussten sie zum Teil erhebliche Verluste hinnehmen. Drei Jahre nach dem Machtverlust im Bund sind die Grünen immer noch damit beschäftigt, das Opponieren wieder richtig zu lernen.

Der Erfolg wird nun davon abhängen, ob Özdemir das gelingt, was ihm seine Gegner am wenigsten zutrauen. Er muss organisieren und vermitteln. Und er ist verurteilt zur Teamarbeit mit den Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin, beides nicht Mitglieder seines Fanclubs. Nur dann werden die Grünen Nutzen daraus ziehen können, dass ihr Urthema den Wahlkampf mitbestimmt.

Es wäre eine Ironie der Geschichte, gelänge es den Grünen nicht, ausgerechnet im Streit um Atomkraft, Energie und Klima Anhänger zu mobilisieren. Das Comeback ist Özdemir gelungen. Um den Erfolg muss er noch kämpfen.

© SZ vom 05.09.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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