CDU-Parteivorsitz:Drei Männer gegen Merkel

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Nach 18 Jahren an der CDU-Spitze hat die Kanzlerin Gegenkandidaten. Einer ist ein echter Konservativer, einer studiert noch, einer ist erst seit Kurzem in der Partei.

Von Susanne Höll, Veronika Wulf und Ronen Steinke, Berlin/Frankfurt

Wenn sich die CDU am 7. und 8. Dezember zum Parteitag in Hamburg trifft, wollen Andreas Ritzenhoff, Jan-Philipp Knoop und Matthias Herdegen das Amt des Bundesvorsitzenden übernehmen - und Angela Merkel nach 18 Jahren an der Parteispitze ablösen.

Der Unternehmer

Andreas Ritzenhoff, 62, will als erfahrener Geschäftsmann frischen Wind in die CDU bringen. (Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa)

Der Mann traut sich was. Noch nicht einmal ein Jahr ist Andreas Ritzenhoff Mitglied der Hessen-CDU - und von Dezember an will er die Bundespartei führen. Der 62-Jährige ist gelernter Arzt und inzwischen Chef des florierenden Familienunternehmens Seidel in Marburg, das Aluminiumgehäuse für kosmetische Produkte herstellt. Er würde in seinem gesetzteren Alter gern in die Politik wechseln - an die Spitze der CDU. Ihm sei es ernst, sagt Ritzenhoff, Klamauk sei seine Sache nicht. Die Zukunft Deutschlands und Europas treiben ihn um, wie er sagt, es müsse dringend dafür gesorgt werden, dass es mit der Zusammenarbeit und der Wirtschaft auf dem Kontinent bergauf statt bergab gehe. Die Lage des Mittelstandes beschäftigt ihn auch, die aus seiner Sicht unzureichenden nationalen und internationalen Bemühungen um den Klimaschutz sowie fragwürdige Handelspraktiken Chinas, die er als Unternehmer am eigenen Leib zu spüren bekommen habe. Ritzenhoff glaubt, dass er als international erfahrener Geschäftsmann frischen Wind in die CDU bringen kann. Dass seine Außenseiter-Kandidatur in der hessischen Landespartei auf Befremden stieß, kann er verstehen. Aber abschrecken lässt er sich davon nicht. Und auch die Größe der Aufgabe macht ihm keine Sorge. Er traue sich zu, mit den Vorsitzenden von SPD und CSU über den Kurs der Bundesregierung zu verhandeln. Wenn es mit der Wahl im Dezember nicht klappen sollte, würde Ritzenhoff versuchen, sich einen anderen Traum zu erfüllen und Abgeordneter im Europaparlament zu werden. Nicht der Jobsicherheit, sondern der Themen wegen, wie er betont. Die Leitung seiner Firma würde er abgeben, beides zusammen sei dann doch zu viel.

Der Jurastudent

Jan-Philipp Knoop, 26, Jurastudent aus Berlin, möchte AfD-Wähler wieder zurückgewinnen. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Jan-Philipp Knoop ist wohl der Merkel-Herausforderer, der am meisten belächelt wird. Das ist ihm bewusst. Und es ist ihm egal. Der 26-jährige Jurastudent aus Berlin schaut selbstsicher und etwas aufsässig auf dem Foto, das neben der Ankündigung seiner Kandidatur steht, die er im September in den sozialen Medien geteilt hat. Knoop ist erst seit vier Jahren in der CDU. Social-Media-Beauftragter im Berliner Ortsverband Kleistpark war bisher sein einziges Parteiamt. Doch wenn er über Politik spricht, klingt er routiniert. "Ich denke, dass Frau Merkel nach so langer Zeit als Regierungschefin und Parteivorsitzende ein bisschen das Gespür für die Basis und für die Menschen abhandengekommen ist", sagt er. Es brauche neue Impulse von der Spitze der Partei. Als so einen Impuls sieht er sich. Seine Strategie: AfD-Wähler zurückgewinnen.

Es dürfe nicht sein, "dass man nicht mal bereit ist, miteinander zu reden, als gewählte Volksvertreter in einem Haus". Auf Twitter hat der ehemalige Social-Media-Mann nur 93 Follower, auf Facebook gefällt immerhin 4300 Leuten seine Seite. Dort schreibt er gezielt AfD-nahe Nutzer an. Viele antworten, sie wählten lieber das Original, andere fordern ihn auf, in die AfD einzutreten. Knoop organisierte politische Stammtische in Berlin, zu denen auch AfD-Wähler kamen. "Vernünftige Leute" seien das. Die CDU dürfe nicht zulassen, dass eine Partei, die erst seit drei Jahren "extrem auf die innere Sicherheit pocht" - das Wort Flüchtlinge vermeidet er -, als Original gelte, obwohl die CDU das doch schon seit Jahrzehnten tue. Auf die Anfrage, wie er kandidieren könne, habe er erst eine Antwort erhalten, als er sein Vorhaben öffentlich machte. Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer habe geschrieben, dass ihn ein Delegierter oder eine parteiinterne Vereinigung vorschlagen müsse. "Das steht aber nirgends", sagt Knoop.

Er will seine Bewerbung persönlich zum Konrad-Adenauer-Haus bringen, ohne vorgeschlagen zu werden. Große Chancen, gewählt zu werden, rechnet er sich nicht aus. "Aber so wie jetzt kann es einfach nicht weitergehen."

Der Professor

Matthias Herdegen, 61, Professor für Europarecht in Bonn, gilt als prononcierter Konservativer. (Foto: Reiner Zensen/imago)

In der Juristenwelt ist er durchaus kein Nobody, sondern spätestens seit 2003 als schneidiger Konservativer bekannt. Damals schlug der Rechtsprofessor Matthias Herdegen vor, den Artikel 1 des Grundgesetzes neu zu interpretieren. Es war die Zeit, als über das Foltern von Kindsentführern diskutiert wurde und über das Abschießen von Passagierflugzeugen. Artikel 1 lautet: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Herdegen warb dafür, dieses Prinzip zu lockern, nämlich bei "Art und Maß des Würdeschutzes" situativ zu "differenzieren". Der ehemalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde schrieb daraufhin in der FAZ von einem "Epochenwechsel": Die für die "Verfassungsväter" so evidente, aus der Erfahrung des Nationalsozialismus geborene "Notwendigkeit eines bleibenden, unabdingbaren Halte- und Orientierungspunktes für die Ordnung des Zusammenlebens der Menschen" habe für eine neue Generation junger Staatsrechtler wie Herdegen wohl keine Bedeutung mehr.

Herdegen, heute 61, geboren im Frankenwald in der Nähe von Hof, ist in Karlsruhe aufgewachsen. Sein Vater war Senatspräsident am Bundesgerichtshof. Wann er in die CDU eingetreten ist, weiß er nicht mehr genau. Vielleicht 1985. Oder 1986? Seither hat er sich durchaus für die Partei engagiert. Aber stets in der Haut des Professors: als Sachverständiger, der Expertisen abgibt. Oder als Anwalt in Karlsruhe. Für ein Wahlamt hat er bisher nie kandidiert.

An der Uni Bonn, wo Herdegen Völker- und Europarecht lehrt, ging er politischen Diskussionen nie aus dem Weg. Etwa beim Thema Abtreibung. Den Gesetzeskompromiss der 90er-Jahre, die sogenannte Fristenlösung, kritisiert Herdegen, er beklagte in einem Text einen "defizitären Schutz des menschlichen Lebens im Mutterleib". Nun darauf angesprochen, will er lieber nichts sagen.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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