CDU-Generalsekretär Gröhe:Merkels Mann für die geschundene Seele

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Er hat sich nicht um das Amt gerissen, doch seine Leidenschaft bremst das nicht: Der neue CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe soll die Partei aufrichten.

Stefan Braun

Aufgeregter hätte es für Hermann Gröhe kaum anfangen können. Unmittelbar vor seiner ersten Bewährungsprobe als CDU-Generalsekretär rumort es in der Partei gewaltig. Ende der Woche findet die erste CDU-Vorstandsklausur unter seiner Leitung statt - und noch bevor die Parteispitze intern über Wahlergebnisse und Strategien reden kann, gibt es offen Kritik an Angela Merkel.

Tief verwurzelt in Kirche und Union: Angela Merkels neuer Generalsekretär Hermann Gröhe ist in seiner Partei gut vernetzt. (Foto: Foto: ddp)

Kritik, die nicht neu ist und doch weh tut. Es geht um zu wenig CDU und zu viel Präsidialstil der Kanzlerin, und es geht um zu viel Modernität und zu wenig Einsatz für die Stammwähler. Vier Fraktionschefs aus den Ländern haben das in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung aufgeschrieben.

Sie haben nicht das Gewicht, um die Führung ins Wanken zu bringen. Aber sie beleuchten wie unter einem Brennglas, welche Aufgabe der 48-Jährige vor sich hat. Er soll der Partei wieder mehr Selbstbewusstsein geben. Er soll die bei manchem CDU-Mitglied und -Funktionär geschundene Seele aufrichten - ohne die Modernisierung aufzugeben. Das Problem also ist erkannt, der Balanceakt auch. Stellt sich nur die Frage: Kann Gröhe das leisten?

Besucht man ihn dieser Tage, dann begegnet man einem Generalsekretär, der leidenschaftlich für seinen Auftrag kämpfen wird, einen Erfolg aber niemals leichtfertig versprechen würde.

Dieser Hermann Gröhe, seit 32 Jahren in der CDU, seit elf Jahren im Bundestag, tief verwurzelt in der Kirche und als früherer JU-Chef gut vernetzt in der Partei, ist kein Politiker der großen Sprüche oder der Schönfärberei. Stattdessen sagt er: "In unserer Partei gibt es ein großes Bedürfnis nach Orientierung." Und er fügt noch an: "Ich bin Parteimann, nicht Sprecher der Koalition."

"Wertkonservativer mit liberalem Menschenbild"

Seinen Vorgänger Ronald Pofalla will er nicht kritisieren. Aber er möchte sich von ihm abgrenzen. Und er will unterstreichen, dass er weiß, wie nötig es ist, als Parteiführung wieder zuallererst an die eigene Partei zu denken.

"Wir brauchen", sagt Gröhe und gestikuliert heftig, "wieder stärker das Gefühl des Zusammenhalts, auch wenn mal etwas schiefgeht." Ähnliche Worte wären bei Pofalla kaum denkbar gewesen. Er hätte selbst das als Zeichen der Schwäche verstanden - und geschwiegen.

Derlei Angst vor Schwäche zeigt Gröhe bisher nicht. Auch er taktiert, will Wahlanalysen nicht öffentlich diskutieren. Aber er fühlt sich sehr stabil verortet. "Ich bin ein Wertkonservativer mit liberalem Menschenbild", lautet seine Selbstbeschreibung.

Tatsächlich lebt Gröhe, wie man so sagen kann, in konservativen Verhältnissen. Seine Frau engagiert sich in der katholischen Kirche, er in der evangelischen. Außerdem ist Familie bei den Gröhes, wie Familie bei den Konservativen lange gepflegt wurde: Er arbeitet, und sie kümmert sich zu Hause um die vier Kinder.

Doch kaum hat Gröhe das erzählt, sagt er lächelnd: "Bei uns wird Ökumene gelebt." Was so viel heißen soll wie: Wir können Brücken bauen. Und dazu sagt er, sein Lebensentwurf sei wahrlich nicht der einzig mögliche.

"Es käme mir nicht in den Sinn, mich für meine Lebensweise zu entschuldigen. Ich will sie aber auch nicht anderen verordnen." Gröhe will vorleben statt vorschreiben. Und er will nicht einer Klientel nach dem Munde reden. "Mich hat es immer genervt, politisch mal als links, mal als rechts einsortiert zu werden."

Bekennen freilich will Gröhe sich schon. Kaum war er im Herbst im Amt, traf er sich mit dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. "Ein Christdemokrat redet über seine Wurzeln nicht zuerst mit dem BDI, dem BDA oder den Gewerkschaften."

Eine Botschaft, die der Kanzlerin gefallen dürfte. Schon bei seiner Vorstellung hatte ihm der Hinweis auf sein kirchliches Engagement den Kommentar Merkels eingebracht, das genau sei es, was die CDU jetzt brauche.

Am Donnerstagabend wird Zollitsch beim CDU-Bundesvorstand zu Gast sein - gemeinsam mit der neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann. Dabei soll nicht nur geplaudert werden. Gröhe will eine echte Klausur, er hat die Zeit für Reden und Aussprache gegenüber früheren Jahren deutlich ausgedehnt.

Bei allen entschlossenen Vorsätzen hat der neue CDU-General noch nicht bewiesen, ob er tatsächlich eine Brücke zu den Enttäuschten bauen kann. Nach der Kritik an Merkel hat er sich nur kurz zu Wort gemeldet. "Scharfkantige Polarisierungen", so Gröhe, "wärmen zwar das Herz der eigenen Anhänger, erleichtern aber auch dem politischen Gegner die Mobilisierung." Da klingt Verständnis an, das schnell überlagert wird von taktischem Denken. Hier lässt Pofalla grüßen.

Gröhe hat sich nicht gewünscht, zum Generalsekretär aufzusteigen. "Ich musste mich an die Idee erst gewöhnen." Er weiß, wie schwer es ist, gleichermaßen die Wünsche von oben (Chefin) und unten (Basis) zu erfüllen. Und er weiß, dass er nicht wie ein Fernsehmodel, sondern eher wie ein Ringer im griechisch-römischen Stil aussieht.

Seine Leidenschaft bremst das nicht. Und sein Selbstbewusstsein auch nicht. Auf die Frage, wie er das schwarz-grüne Projekt vorantreiben wolle, antwortete der Sympathisant solcher Bündnisse: "Indem ich aus grünen Wählern schwarze Wähler mache." Dagegen können selbst Konservative seiner Partei kaum etwas haben.

© SZ vom 11.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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