CDU:Der Vieldeutige

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf der Regierungsbank: Viele Parteifreunde glauben, dass er auf einen Sitz zu seiner Linken schielt, auf dem jetzt noch die Kanzlerin sitzt. (Foto: imago)

Noch 2018 hat sich Jens Spahn forsch um den Vorsitz seiner Partei beworben. Jetzt hält sich der Gesundheitsminister zurück - aber zerstreut auch die Spekulationen nicht, er strebe nach einem noch prominenteren Amt.

Von Nico Fried

Dieser Mann gehört zu den interessantesten Politikern in Deutschland, was nicht nur Kompliment ist. Jens Spahn erklärt sich und seine Politik fast täglich und bleibt doch stets ein wenig undurchsichtig. Der Christdemokrat schafft es, mit selbstbewussten Auftritten zu imponieren, aber auch mit eigenwilligen Provokationen zu verstören. Der 40-Jährige stünde wie kein anderer Politiker für einen Generationswechsel, aber es ist denkbar, dass die Deutschen dem Gesundheitsminister derzeit in Umfragen nur so viel zutrauen, weil Angela Merkel noch da ist und auf ihn aufpasst.

Auf dem Parteitag an diesem Wochenende, wenn es um den Vorsitz der CDU geht, steht Spahn nicht zur Wahl. Er ist nur der Kompagnon des Kandidaten Armin Laschet, gedacht als Angebot an den eher konservativen Teil der Partei. Doch seit der Bekanntgabe der gemeinsamen Kandidatur vor gut einem Jahr und dem Prestigegewinn Spahns in der Corona-Pandemie ist seine Rolle neben Laschet vieldeutiger geworden. Spahn bestreitet, die Spekulation, er könne auch unter einem anderen Parteivorsitzenden noch Kanzlerkandidat werden, aktiv verbreitet zu haben. Aber er bemüht sich auch nicht sehr, diesen Gedanken zu zerstreuen.

Als zögerlich ist er in seiner Karriere bislang nicht aufgefallen

Jens Spahn ist in seiner politischen Karriere lange Zeit nicht als zögerlich aufgefallen. Er eroberte - als damals jüngster direkt gewählter Abgeordneter - 2002 einen Sitz im Bundestag und 2014 einen im CDU-Präsidium. Der gelernte Sozialpolitiker Spahn sagte nicht Nein, als ihn Wolfgang Schäuble zum Staatssekretär im Finanzministerium machte, und erst recht nicht, als Merkel 2017 nichts anderes übrig blieb, als ihn ins Kabinett zu holen.

2018 hob er schnell die Hand, als nach dem Verzicht Merkels auf den CDU-Vorsitz die Nachfolge zu regeln war. Damals galt das als reichlich forsch, was Spahn in seiner Bewerbungsrede abtat, indem er seine Entschlossenheit mit der Helmut Kohls bei der Wiedervereinigung verglich. 2020 aber reihte er sich in überraschender Disziplin hinter seinem Landesvorsitzenden Laschet ein. Wenn der nächste CDU-Chef ähnlich unglücklich wirken sollte wie die scheidende Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, könnte sich der Verzicht Spahns noch als clevere Entscheidung erweisen - ähnlich Merkels Verzicht auf die Kanzlerkandidatur 2002.

Seine Leistungsbilanz als Minister ist umstritten

Jens Spahn hat sich in der CDU erst auf die Junge Union gestützt, von der Flüchtlingskrise 2015 an rieb er sich dann mit einigem Ertrag für sein innerparteiliches Ansehen vorzugsweise an Angela Merkels Politik. Aus dieser Phase, die noch bis in seine ersten Monate als Minister reichte, sind einige besonders auffällige Irritationen in Erinnerung geblieben. Er fraternisierte demonstrativ mit dem Österreicher Sebastian Kurz, der erst als Außenminister, später als Kanzler zu den wichtigsten Antipoden Merkels in Europa zählte. Er betrieb auf dem CDU-Parteitag in Essen 2016 die Kampfabstimmung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und damit gegen die Parteispitze, der er selbst angehörte. Als Minister suchte Spahn den Kontakt zu ebenso wichtigen wie dubiosen Vertrauten von US-Präsident Donald Trump.

Spahns Bilanz als Minister ist umstritten. In der Corona-Krise wird ihm vorgehalten, wiederholt nicht schnell genug reagiert zu haben. Das gilt für die Beschaffung von Schutzausrüstung in der ersten Welle wie für die Bereitstellung von Schnelltests und Masken für Altersheime in der zweiten. Die SPD sucht bei Spahn intensiv nach Verantwortung für den gegenwärtigen Mangel an Impfstoff.

Über sein derzeit vorteilhaft gutes Verhältnis zu Merkel behauptet Spahn mittlerweile, man vertraue sich auch unter Stress. Und mit der Aussage, man werde nach der Pandemie einander viel zu verzeihen haben, hatte er schon im Frühjahr selbstkritische Nachdenklichkeit propagiert. Doch Spahn wird damit leben müssen, dass es gegen ihn immer auch einen Rest an Skepsis gibt, die in solchen Aussagen nur die Volten eines Machtmenschen vermutet, der den Erfordernissen des politischen Aufstiegs mit ausgeprägter Anpassungsfähigkeit begegnet.

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