CDU/CSU:Die Top-Favoritin auf der Zielgeraden

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Angela Merkel hat lange für die Kanzlerkandidatur geackert - selbst bei einem Misserfolg der Union in Nordrhein-Westfalen ist sie ihr nicht mehr zu nehmen.

Von Jens Schneider und Peter Fahrenholz

Die Chefin der Frauen-Union lächelte vielsagend: "Es greift langsam Unruhe um sich", verkündete Maria Böhmer, "weil Frauen nicht länger an den Rändern der Macht stehen. Sie sind im Zentrum angekommen."

Sie sagte das so, als stünde etwas bevor, was lange unvorstellbar war - um dann CDU-Chefin Angela Merkel als "Gegenspielerin des Kanzlers" zu einer Diskussion über die "Zielgruppe Frau" im Berliner Konrad-Adenauer-Haus zu begrüßen.

Das war Anfang Mai, und es war ein bemerkenswerter Abend. Denn ausnahmsweise wurde offen angesprochen, was bei CDU und CSU zwar längst als gesichert gilt, was aber bisher nicht offen gesagt wird: Wenn CDU und FDP am Sonntag in NRW die Wahl gewinnen, ist Merkel die Kanzlerkandidatur für 2006 nicht mehr zu nehmen.

Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte würde damit eine Frau an der Spitze einer großen Volkspartei für das Amt der Regierungschefin kandidieren.

Je später, desto besser

Nach einem Wahlsieg in Düsseldorf, der vor allem ihr als Verdienst angerechnet würde, wäre Merkels Position gefestigt wie lange nicht. Aber: Selbst im Fall einer Niederlage der Union sieht man sie weiter als Favoritin.

Niemand rechnet noch damit, dass ehrgeizige Ministerpräsidenten wie Roland Koch oder Christian Wulff versuchen, ihr die Kandidatur streitig zu machen - ungeachtet der Frage, ob sie ihr die Kanzlerschaft zutrauen.

Noch hofft die Union, die Verkündung der Kandidatur über den Sommer hinausschieben zu können - möglichst gar bis in den Oktober. Denn je später Merkel auf den Schild gehoben wird, so das Kalkül, desto später wird sich der kritische Blick der Öffentlichkeit auf sie richten. Doch nach Sonntag könnte der Druck schnell größer werden.

Nicht nur in der CSU, auch in den Landesverbänden der CDU ist die Unterstützung für Merkel von wenig Begeisterung getragen. Als Kanzlerkandidatin wird sie weiter damit zu tun haben, erst mal die eigene Partei zu überzeugen - nicht nur, weil manche Männer Schwierigkeiten mit einer Frau in der Spitzenrolle haben.

Suche nach Profil

Ministerpräsidenten betrachten Merkels Aufstieg distanziert, und auch Parteifreunde suchen bei der Ostdeutschen, die Privates eher verbirgt, nach persönlichem Profil. Kritiker vermissen eine klare politische Linie.

Manche in der Union sagen Merkel nach, parteiintern zu machtbewusst zu handeln. Dass sie einen Wirtschaftsexperten wie Friedrich Merz nicht einbinden konnte, wird ihr angelastet.

Sein Rückzug hat eine Lücke gerissen, die Merkel nicht schließen konnte. Sein Fehlen erinnert in Berlin ständig daran, dass der Chefin profilierte Fachpolitiker ausgehen. Der Finanzexperte Dietrich Austermann ging nach Kiel, der Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann soll Minister in Düsseldorf werden.

In der CSU hat man sich damit abgefunden, dass an der CDU-Chefin kein Weg vorbeiführt. "Wenn wir nach einem Erfolg bei der NRW-Wahl immer noch rummäkeln, würde uns Groll aus dem Norden entgegenschlagen", sagt ein CSU-Präside.

An der CSU-Basis, wo noch zur Jahreswende eine Anti-Merkel-Stimmung geherrscht hatte, ist nach dem Streit über die Gesundheitsreform der Wunsch nach Frieden größer als die Abneigung gegen Merkel. Diesen Wunsch hegt auch CSU-Chef Edmund Stoiber - auch wenn er sich für den Besseren hält. Für den bald 64-Jährigen ist ein Unionserfolg 2006 die letzte Möglichkeit, nach Berlin zu wechseln.

© SZ vom 20.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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