Bushs Rede zum Irak:Mogelpackung des Präsidenten

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Es ist mehr als Chuzpe, wenn Bush den geplanten Teilabzug der US-Streitkräfte aus dem Irak als Angebot der Versöhnung zwischen Befürwortern und Gegnern seines Krieges verbrämt. Die Wahrheit ist: Dem Präsidenten gehen schlicht die Soldaten aus.

Christian Wernicke, Washington

Es gab wohlmeinende Parteifreunde, die Amerikas Oberbefehlshaber abgeraten hatten von diesem TV-Auftritt. Zu unbeliebt, zu unglaubwürdig ist dieser Präsident inzwischen bei seinen Landsleuten. Erst zu Beginn dieser Woche ergab eine Umfrage, dass nur noch fünf Prozent aller Landsleute George W. Bush zutrauen, den Krieg im Irak erfolgreich zu beenden. Anders gesagt: 95 von 100 US-Bürgern glauben, unter diesem Präsidenten werde ihre Nation das Ende des Elends eines längst verlorenen Krieges nicht mehr erleben.

Bush spürt dieses Misstrauen. Genau deshalb hat er zunächst andere an die Heimatfront geschickt, die für ihn das Terrain bereiten sollten: Allen voran David Petraeus. Der angesehene US-Kommandeur im Irak warb im Kongress zwei Tage lang dafür, bis ins nächste Jahr mit etwa 160.000 Soldaten weiterzukämpfen gegen Terrorzellen, Aufständische und religiöse Milizen.

Erschöpfte Reserven

Der Militär genießt mehr Vertrauen im Volk als sein ziviler Dienstherr im Oval Office. Hinter der mit Orden und vier Sternen bewappneten Uniform von Petraeus hat der Präsident Schutz gefunden - und sich nun in der Nacht zum Freitag sämtliche Empfehlungen seines wichtigsten Soldaten zu eigen gemacht: Erst im Sommer 2008 soll Amerikas Truppenstärke wieder auf das Niveau sinken, wo es im Januar dieses Jahres lag - bei 130.000 Mann.

Es ist mehr als Chuzpe, wenn Bush diesen Plan nun als Angebot der Versöhnung zwischen Befürwortern und Gegnern seines Krieges verbrämt. Die Wahrheit ist: Dem Präsidenten gehen schlicht die Soldaten aus. Seine sogenannte Welle ("Surge") lässt sich nicht länger durchhalten, da nach 15 Monaten an der Front jedes Platoon ein Recht auf Rückkehr in die Heimat hat -und in den Planungsbögen des Pentagon keine Verbände mehr stehen, die sie ablösen könnten.

Auch deshalb zeihen die oppositionellen Demokraten den Präsidenten, er habe sich "der Beleidigung der Intelligenz des amerikanischen Volkes" schuldig gemacht. Nur, den Demokraten fehlt der Hebel, Bush zu stoppen. Unter dem Eindruck jüngster militärischer Erfolge halten die Republikaner im Kongress ihre Reihen weitgehend geschlossen. Die Zahl abtrünniger Zweifler auf der Rechten dürfte kaum reichen, um im Senat einen verbindlichen Beschluss für einen schnelleren Abzug durchsetzen zu können.

Das kriegsmüde Volk, das voriges Jahr auch wegen des Fiaskos im Irak für eine demokratische Mehrheit im Kongress votierte, wird diese Blockade am Ende beiden Parteien anlasten.

Immerhin, Bush hat ehrlich gesagt, was zukommt auf Amerika: Über Jahre, ja Jahrzehnte werde es amerikanische Truppen im Irak geben. Der Präsident will die Supermacht langfristig mit Militärbasen im Nahen Osten verankern und so den Einfluss der Mullahs in Iran - die eigentlichen Gewinner des Irakkrieges -eindämmen.

Das ist, nach all den früheren Hirngespinsten über Saddams Massenvernichtungswaffen und angeblichen Kontakten zu al-Qaida, eine neue, so verschämte wie realistische Begründung für Amerikas Einsatz im Irak. Ob das Volk und Bushs Nachfolger das auf Dauer mitmachen, ist jedoch längst noch nicht ausgemacht.

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